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General Kenneth F. McKenzie verkündet per Videolink das Ende des Abzugs aus Afghanistan.

Foto: AP/Manuel Balce Ceneta

In Tampa, an der Golfküste Floridas, war es später Nachmittag, als sich der General Kenneth F. McKenzie per Videolink ins Pentagon schalten ließ, um die Fragen der dort versammelten Journalisten zu beantworten. Kurz zuvor, nach afghanischer Zeit eine Minute vor Mitternacht, war Christopher Donahue als letzter US-Soldat an Bord des letzten auf der Rollbahn des Flughafens Kabul verbliebenen C17-Kolosses gegangen.

Infrarotaufnahmen des Militärs zeigten, wie der Generalmajor, Kommandeur der 82. Luftlandedivision, durch die Ladeluke in den Frachtraum der startbereiten Maschine lief. "Ich bin hier, um den Vollzug unseres Abzugs bekanntzugeben", sagte McKenzie, Befehlshaber des Centcom, des für den Nahen Osten, Ostafrika und Zentralasien zuständigen Regionalkommandos der amerikanischen Streitkräfte, in dessen Verantwortung die Evakuierung fiel.

Mit dem Abschied, gestand er zu, verbinde sich sehr viel Kummer: "Wir haben nicht jeden herausholen können, den wir herausholen wollten." Doch selbst wenn man zehn Tage länger in Kabul geblieben wäre, hätte man nicht jeden, den man aus dem Land bringen wollte, tatsächlich ausfliegen können. Auch dann hätte es Menschen gegeben, die man hätte enttäuschen müssen.

Abzug vorgezogen

Tatsächlich zog das Verteidigungsministerium den Abzug um einen Tag vor. Dass es die Luftbrücke bereits in der Nacht zum Dienstag beendete, nicht erst mit Ablauf der ursprünglichen Frist in der Nacht auf Mittwoch, wurde mit Prognosen von Meteorologen begründet, die für den 31. August stürmisches Wetter vorhersagten. Zudem, hieß es, habe man einen Zeitpuffer einbauen wollen für den Fall, dass auf der Zielgeraden letzte Hindernisse im Weg stehen sollten oder der "Islamische Staat" weitere Anschläge verüben würde.

Am Dienstag sind es die Statistiken eines 20-jährigen Krieges, die noch einmal die Runde machen. Die Online-Plattform Axios, bekannt dafür, die Dinge in aller Kürze zu bündeln, hat die Zahlen zusammengefasst. 2.461 US-Soldaten getötet, dazu 3.846 zivile Berater und sonstige private Auftragnehmer mit amerikanischer Staatsangehörigkeit. Mehr als 20.000 GIs verwundet. Schließlich die afghanischen Toten: rund 66.000 Soldaten und Polizisten, 47.000 Zivilisten sowie 51.000 Taliban und andere Kämpfer oppositioneller Milizen.

Bis zu 200 US-Amerikaner noch im Land

Über die Luftbrücke, die lange im Zeichen chaotischer Szenen stand, sind laut Pentagon circa 123.000 Menschen ausgeflogen worden. Allerdings konnten bei weitem nicht alle gerettet werden, die einen Anspruch auf Rettung gehabt hatten. Außenminister Antony Blinken schätzt die Zahl der Amerikaner, die Afghanistan verlassen wollen, es aber bisher nicht konnten, auf 100 bis 200 Personen.

Die Taliban, sagt er, hätten sicheres Geleit zugesagt. Ob man glauben kann, was die Radikalislamisten versprechen – die Skepsis in dieser Frage reicht bis weit hinein in die Reihen der Demokraten. Und noch lange nicht beendet ist die politische Debatte über das Pro und das Kontra des Abzugs.

Da wäre Liz Cheney, deren Vater Dick Cheney den Einmarsch als Vizepräsident mitzuverantworten hatte. "Man beendet einen Krieg nicht durch Kapitulation", schimpft die republikanische Kongressabgeordnete. Man bringe Amerika keine Sicherheit, wenn man Amerikaner hinter feindlichen Linien zurücklasse, Verbündete verrate und Feinde stärke. "So hat man einen Krieg nicht beendet, sondern ihn verloren." Es ist die Fundamentalkritik einer Interventionistin, die auch im konservativen Lager keine Mehrheiten findet und in der Partei des Präsidenten auf teils heftigen Widerspruch stößt.

Untersuchungen im Senat

Nur: Die Vorsitzenden von gleich drei Senatsausschüssen – dem für Außenpolitik, dem für die Geheimdienste und dem für die Streitkräfte – haben Untersuchungen angekündigt, um Fehler des Weißen Hauses beim Managen der Evakuierung unter die Lupe zu nehmen. Alle drei sind Mitglieder der Demokratischen Partei. (Frank Herrmann aus Washington, 31.8.2021)