Justizministerin Alma Zadić (Grüne) wartet noch ab.

Foto: APA/Fohringer

Die justizintern große Hoffnung auf eine Trennung von Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien und Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wird sich so bald nicht erfüllen. Eigentlich hatte man bei den beiden Behörden erwartet, dass Justizministerin Alma Zadić (Grüne) schon bald verkünden würde, der OStA Wien die Aufsicht über die WKStA zu entziehen.

Am Montag kam aber alles anders: Da entschied man sich im Justizministerium plötzlich gegen den Plan, um auf Nummer sicher zu gehen. Auslöser des Rückziehers war dem Vernehmen nach eine Anfrage des STANDARD, dem Informationen über die geplante Loslösung der WKStA vorgelegen sind.

Bis Montagmittag war die Erwartungshaltung innerhalb der Justiz folgende: Die WKStA würde direkt an die Sektion V angebunden werden, die OStA Wien als "Zwischenstation" in der hierarchischen Weisungskette herausfallen. Damit wäre der tiefgreifende Konflikt zwischen OStA Wien und WKStA zwar nicht gelöst, aber im Alltag irrelevant geworden.

Diese "Interimslösung" hätte bis zur Einführung des Bundesstaatsanwalts laufen sollen, dann wäre es ohnehin zu einer Strukturreform des Justizapparats gekommen. Bis dahin hätte die WKStA einfach eine Oberbehörde weniger als die anderen Staatsanwaltschaften gehabt; an die Sektion V und die Justizministerin (samt Weisungsrat) gelangen berichtspflichtige Vorhaben über die OStA ja ohnehin. Der neue Plan hätte also lediglich eine Zwischenstation weniger vorgesehen.

Gesetzesänderung nötig

Allerdings ist die WKStA die einzige Staatsanwaltschaft in Österreich, deren Oberbehörde per Gesetz festgelegt ist: Im Staatsanwaltschaftsgesetz wird explizit die OStA Wien als Dienst- und Fachaufsicht genannt. Für eine Ankopplung der WKStA ans Justizministerium wäre also eine Gesetzesänderung nötig gewesen – und das Risiko, dass hier andere Begehrlichkeiten des Koalitionspartners ÖVP ins Spiel kommen, war offenbar als zu hoch eingeschätzt worden.

Deshalb kommt nun der Plan B: Die WKStA und die OStA Wien sollen zwar voneinander getrennt werden, allerdings erst im Rahmen der Einführung eines Bundesstaatsanwalts. Offiziell hieß es, die diesbezügliche Arbeitsgruppe prüfe auch dieses Modell und werde es in einer Gesamtbetrachtung bewerten.

Beim Koalitionspartner zeigte man sich über die Planspiele überrascht. "Das gemeinsame Ziel der Bundesregierung ist es, die Justiz unabhängiger zu machen und damit jeglichen Anschein politischer Einflussnahme zu verhindern. Die kolportierten Pläne würden eine weitere Politisierung der Justiz bedeuten", sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).

Bei der Opposition kamen die Überlegungen ambivalent an. "Eine ernsthafte Justizreform braucht eine Bundesstaatsanwaltschaft, die als Dienst- und Fachaufsicht und weisungsbefugte Behörde gegenüber allen Staatsanwaltschaften agiert, wie wir sie seit 20 Jahren fordern. Dass nun die WKStA dem Ministerium direkt unterstellt werden soll, ist widersprüchlich, wenn man eine Bundesstaatsanwaltschaft einführen möchte", sagte SP-Justizsprecherin Selma Yildirim.

Die Neos "begrüßten" zwar eine Entkopplung von WKStA und OStA, forderten aber "die sofortige Umsetzung der neuen Weisungsspitze, also eines Bundesstaatsanwalts".

Bis diese Reform kommt, dürfte es aber noch einige Zeit dauern. Die Arbeitsgruppe, die sich damit beschäftigt, soll erst im zweiten Halbjahr 2022 ihre Ergebnisse vorlegen. Knackpunkte betreffen etwa die parlamentarische Kontrolle des Bundesstaatsanwalts, aber auch dessen Rolle im ministeriellen Gefüge. Zwar könnte der Bundesstaatsanwalt die Fachaufsicht über die (Ober-)Staatsanwaltschaften bekommen – also deren Ermittlungsschritte inhaltlich prüfen –, die Dienstaufsicht könnte aber beim Ministerium verbleiben.

Damit bliebe die Ressourcenverteilung innerhalb der Staatsanwaltschaften – und somit das machtpolitisch bedeutendste Instrument – in der Hand der Justizministerin. (fsc, 31.8.2021)