Schon in der Steinzeit gab es bierartige Getränke, die für den heutigen Gaumen eher ungewöhnlich geschmeckt haben dürften.
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Bierbrauen hat in Europa eine jahrhundertelange Tradition. Brauereien beziehen sich dabei oft auf Reinheitsgebote, denen zufolge das Bier nur bestimmte Substanzen enthalten darf – meist sind es Variationen der Zutaten Hopfen, Malz, Gerste, Hefe und Wasser. So strikt wird die Definition unter Archäologinnen und Archäologen, die die jahrtausendealte Geschichte vergorener Getränke untersuchen, nicht ausgelegt: Eine nun veröffentlichte Studie, die schon im Titel dezidiert Bierkonsum vor 9.000 Jahren in China beschreibt, lässt dabei auch Reisbier gelten.

In der Studie von Jiajing Wang von den US-Universitäten Stanford und Dartmouth und ihrem Team wurden getöpferte Gefäße von einer Grabstätte im ostchinesischen Qiaotou unter die Lupe genommen. In einer Art Grabhügel wurden nämlich nicht nur zwei menschliche Skelette entdeckt, sondern auch bemalte Keramiken, die wohl als Trinkgefäße benutzt wurden. Sie dürften den Forschenden zufolge nicht nur zu den "ältesten bekannten bemalten Töpferwaren der Welt" gehören, sondern auch zum Konsum von Alkohol verwendet worden sein.

Die "Hu-Gefäße" wurden traditionell zum Alkoholtrinken verwendet.
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"Bier im weitesten Sinne"

Darauf liefert nicht nur die Form von sieben der 20 Gefäße einen Hinweis, da die sogenannten "Hu-Gefäße" eher in späteren Epochen für diesen Zweck genutzt wurden. Das Archäologieteam untersuchte auch mikrofossile Rückstände aus dem Inneren der Gefäße, um die Getränkeart einzugrenzen. Dabei zeigten sich botanische und mikrobielle Spuren – etwa von Stärkekörnchen, Hefe und Schimmel. Diese stimmen mit Rückständen aus der Biergärung überein und kommen so natürlicherweise nicht etwa im Boden vor – außer wenn Alkohol im Spiel ist.

"Unsere Ergebnisse ergaben, dass die Tongefäße zur Aufbewahrung von Bier im weitesten Sinne verwendet wurden", sagt Wang. Dabei habe es sich um ein fermentiertes Getränk gehandelt, das Reis, eine Getreidepflanze namens Hiobsträne sowie unidentifizierte Knollenfrüchte enthielt. Entsprechend hätte das steinzeitliche Bier nicht wie heute übliche Biersorten geschmeckt: "Stattdessen war es wahrscheinlich ein leicht fermentiertes und süßes, trübes Getränk", sagt die Archäologin, die sich mit früher Alkoholproduktion befasst.

Getränk zum Totenritual

Dabei gilt Bier als Überbegriff für fermentierte Getränke aus stärkehaltigen Substanzen, die in einem zweistufigen Prozess verarbeitet werden: Erst verwandeln Enzyme die Stärke in Zucker, dann kommen Hefepilze zum Einsatz, die den Zucker vor allem in Alkohol und Kohlendioxid umwandeln. Im chinesischen Steinzeitbier wurde vermutlich Schimmelpilz verwendet, um beide Prozesse anzutreiben. Das stellt den ältesten Hinweis auf diese Verwendung von Schimmel beim Bierbrauen dar, schreibt die Forschungsgruppe. Dieser ist dem Schimmel ähnlich, der auch zur Herstellung von Sake und anderen fermentierten Reisgetränken verwendet wird.

In den Gefäßen fanden sich Reste, die auf ein bierartiges Getränk hinweisen.
Foto: Jiajing Wang

Aufgrund der Fundstelle bei einer Grabstätte mutmaßt die Gruppe, dass der Bierkonsum außerdem mit einem Bestattungsritual zu Ehren der Toten in Verbindung steht. Und da das Ernten und Verarbeiten von Reis einen recht hohen Arbeitsaufwand mit sich bringt, könnte das Getränk eher für besondere Anlässe hergestellt worden sein. Das ist auch im Kontext der Lebensweise relevant: Vor 9.000 Jahren lebten die meisten Gemeinschaft noch nicht sesshaft, sondern jagend und sammelnd. Auch die Kultivierung und Domestizierung der Reispflanze schritt etwa von vor 10.000 bis vor 6.000 Jahren voran.

Getreide vor der sesshaften Lebensweise

Es mehren sich allerdings die (teilweise mehr als 100.000 Jahre zurückreichenden) Indizien dafür, dass Kohlenhydrate wie Getreide auch auf dem Steinzeit-Speiseplan der Menschen standen und sich Jäger und Sammlerinnen nicht – wie im Rahmen der sogenannten Paläo-Diät behauptet – nur von Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse und Nüssen ernährten. An der 11.600 Jahre alten Tempelfundstätte von Göbekli Tepe in der heutigen Türkei entdeckten Forschende Mahlsteine, die sich besonders gut zum Erzeugen von Brei und Bier geeignet haben dürften. Für Mehl, um Backwaren herzustellen, waren sie aber wohl eher suboptimal, schrieb die Archäologin Laura Dietrich vom Deutschen Archäologischen Institut Berlin.

Zusammen mit ihrem Team kochte und braute sie selbst in Experimenten nach, was die Menschen vor knapp 12.000 Jahren anhand der gefundenen Utensilien hergestellt haben könnten. Ihr neolithisches Malzbier aus handgeschrotetem und gekeimtem Getreide war "ein bisschen bitter, aber trinkbar, wenn du Durst hast und in der Jungsteinzeit lebst", sagt Dietrich.

Die gut gemachten Reibsteine und weitere Werkzeuge zur Verarbeitung sind für sie wichtige Indizien dafür, dass Getreide schon vor dem Ackerbau als Wildpflanze zu den Grundnahrungsmitteln zählte: "Die Menschen in Göbekli Tepe wussten, was sie taten und wie man mit Getreide umzugehen hat. Über die Phase des Experimentierens waren sie hinaus." Deshalb geht sie auch nicht davon aus, dass – wie zuvor vermutet – bei den Tempel-Festmahlen nur gegrillte Tiere und Unmengen an Bier konsumiert wurden, sondern dass Getreidebrei ebenfalls wichtig war. Noch etwas älter dürften Funde im heutigen Israel sein, wo ein bierartiges Getränk schon vor 13.000 Jahren gebraut wurde.

Frühe Spuren in der Alpenregion

Im Gegensatz zu Tierknochen sind die Spuren des Konsums allerdings meist schwieriger zu finden. Der Archäobotaniker Andreas Heiss von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) befasst sich von Berufs wegen mit alten Speiseresten. Verbranntes ist bisher erst wenig untersucht worden: "Es handelt sich einfach um kompliziertes Material – fragiles, hässliches Zeug. Die meisten Forscher schrecken schlicht davor zurück."

Mit seiner griechischen Kollegin Soultana Valamoti untersuchte er trotzdem ungewöhnliche, mehr als 5.000 Jahre alte Brandreste, die an Fundstellen in Süddeutschland und der Schweiz auftraten. Der mikroskopische Vergleich mit ähnlich alten Spuren aus ägyptischen Brauereien zeigte: Die besonders dünnen Zellwände der Körner weisen auf das Keimen oder Mälzen hin, das zur Herstellung von Bier eine wichtige Rolle spielt. In der Alpenregion wurde das Bierbrauen so auch für die Jungsteinzeit nachgewiesen – in einer Publikation mit dem klingenden Titel "Mashes to mashes, crust to crust". (Julia Sica, 2.9.2021)