Es beschäftigt den kleinen Hobbyanleger bis hinauf zum Chef der mächtigsten Börsenaufsicht der Welt, der US-amerikanischen SEC: Zum wiederholten Male hat Gary Gensler mit der Forderung aufhorchen lassen, Kryptowährungen strenger zu regulieren.

Man könnte im ersten Moment meinen, ist doch klar, dass sich jemand wie der Chef einer alteingesessenen Institution wie der SEC gegen diesen technologischen Trend sträubt. Doch der Mann kennt die Materie bestens, hat er doch genau dieses Thema drei Jahre lang am Massachusetts Institute of Technology (MIT) unterrichtet.

"Der Technologie stehe ich neutral gegenüber, doch beim Anlegerschutz bin ich es nicht", sagte Gensler jüngst der englischen Financial Times. Als Staat habe man die Aufgabe, Anleger vor Betrug zu schützen, das sei bei Krypto-Assets nicht anders als bei anderen Geschäften. Dazu komme weiteres Schindluder, das mit den Cyberdevisen getrieben werde: Geldwäsche, Lösegeldforderungen nach Cyberattacken oder Terrorismusfinanzierung.

Jede Ankündigung neuer Regulierungen des Kryptomarktes führt zu Kurskapriolen. Mit einem fixen Reglement ließe sich dieser Effekt vermutlich entschärfen.
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Milliardenschwerer Markt

Kein Wunder, dass Aufsichtsbehörden die Entwicklung mit Argusaugen beobachten, denn in dem Markt steckt viel Geld. Mitte August überstieg die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen die Zwei-Billionen-Dollar-Marke und bewegt sich seither rund um diesen Wert. Einer der ganz wichtigen Akteure in dem Markt ist die Kryptobörse Coinbase, sie machte im zweiten Quartal des aktuellen Jahres einen Gewinn von 1,6 Milliarden Dollar.

Immer wieder wird in den USA diskutiert, in welche Anlageklasse digitale Vermögenswerte fallen – und ob die SEC zuständig ist. Das Krypto-Aushängeschild Bitcoin etwa verhält sich grundsätzlich wie eine Währung, zählt aber als Rohstoff und nicht als Wertpapier.

Mittlerweile gibt es bereits um die 10.000 verschiedenen Kryptowährungen. Bei vielen ist kaum bis gar nicht bekannt, welche Basiswerte dahinterstecken, weswegen auch europäische Branchenexperten der Idee einer Regulierung etwas abgewinnen können.

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Experten für Regulierung

"Die Regeln am Kryptomarkt sind teilweise noch unklar, auch gibt es einiges an Betrug und Marktmissbrauch", sagt Axel Anderl, Managing Partner bei Dorda Rechtsanwälte. Das ruiniere den Ruf von Kryptowährungen, weswegen es definitiv eine strengere Regulierung brauche. Als weiteren Grund führt er die extremen Kursschwankungen an: "Der Markt reagiert sehr sensibel auf jede angekündigte Regeländerung. Mit einem fixen Reglement kann das stabilisiert werden."

Dieser Ansicht schließt sich Thomas Kulnigg von Schönherr Rechtsanwälte an: "Klare Regeln für alle Marktteilnehmer schaden nie. Es darf zu keiner Überregulierung kommen, die niemand versteht oder Innovation verhindert." Eine gewisse Mündigkeit aller Beteiligten sehe er als Voraussetzung. Als Nachteil führt Kulnigg hohe Eintrittshürden für Anbieter an. "Es braucht entsprechendes Geld, um als Anbieter an einem regulierten Markt partizipieren zu können. Eine hohe Eintrittshürde sorgt aber auch – zumindest theoretisch – dafür, dass nur seriöse Teilnehmer ihre Leistungen auf dem Markt anbieten."

"Klare Regeln für alle Marktteilnehmer schaden nie. Es darf zu keiner Überregulierung kommen, die niemand versteht oder Innovation verhindert."

Viele Menschen glauben nach wie vor, Kryptwährungen bringen die volle Anonymität mit sich. Dem ist nicht so, denn ohne Verifizierung bekommt man sein Geld grundsätzlich nirgends mehr hinein oder heraus. Die Regeln rund um das Thema Anonymität könnten mit der Neuauflage der Mica-Verordnung der EU (Regulation on Markets in Crypto-assets) noch einmal strenger werden. Anonyme Wallets könnten völlig verschwinden, und Kryptobörsen müssen vermutlich mehr Nutzerdaten abgeben. Das entscheidet sich aber wohl erst im kommenden Jahr.

Historischer Unterschied

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Situation in Europa und den USA ist historisch gewachsen. "Das Gesetz in Europa ist moderner. In den USA ist die Kapitalmarktsituation deutlich älter und das Recht von Richtern weiterentwickelt. Deswegen lassen sich gewisse Dinge nicht so einfach ändern", sagt Oliver Völkel von Stadler Völkel Rechtsanwälte. "Anhand von fünf Kriterien im Rahmen des sogenannten Howey-Tests wird in den USA überprüft, ob etwas der SEC unterliegt oder nicht." In Europa sei das anders. Hier werde der Vertragsinhalt kontrolliert und ob Finanzinstrumente bzw. übertragbare Wertpapiere angeboten werden.

Mit seinen wiederkehrenden Forderungen scheint SEC-Chef Gensler ebenfalls die europäische Richtung einschlagen zu wollen. (Andreas Danzer, 2.9.2021)