Die Männer und Frauen, die vor mehr als einem Jahrzehnt die erste Kryptowährung Bitcoin geschaffen haben, waren vom Wunsch beseelt, ein dezentrales Geldsystem abseits jeder staatlicher Kontrolle zu schaffen. Dabei wurden sie Opfer ihres eigenen Erfolgs: Solange Bitcoin und andere Digital Coins ein Nischendasein fristeten, wurden sie von Notenbankern und Aufsehern ignoriert; das lag auch daran, dass jene die Blockchain-Technologie dahinter kaum verstanden haben.

Doch heute ist der Kryptomarkt geschätzte zwei Billionen Dollar groß und enthält bis zu 70.000 verschiedene Währungen. Tausende Anleger sind in den vergangenen Jahren dank der Kurssprünge reich geworden, noch viel mehr haben Geld verloren. Auch etablierte Häuser beschäftigen sich mit Krypto-Veranlagungen, und immer mehr Unternehmen akzeptieren Zahlungen mit Bitcoin und Co – auch wenn das den Kunden keinen erkennbaren Vorteil bringt.

Beim Regelwerk aber gleicht die Krypto-Welt dem sprichwörtlichen Wilden Westen, wenn auch ohne Sheriffs und Scharfrichter. Wie schon bei anderen finanziellen Revolutionen hinkt die Aufsicht dem Fortschritt hinterher, mit potenziell fatalen Folgen für die Finanzstabilität. Erst vor kurzem sind Regierungen, Parlamente und Behörden aufgewacht. Autoritäre Staaten wie China und die Türkei setzen auf Verbote, während in den USA und der EU nach Rechtsrahmen gesucht wird, die Innovation zwar nicht bremsen, aber Missbrauch verhindern.

Dezentrale Blockchain-Technologie

Das erweist sich als mühsam. Zum einen lässt sich die dezentrale Blockchain-Technologie nicht leicht kontrollieren, zum anderen hegen die führenden Köpfe in der Kryptowelt eine lautstarke Aversion gegen jede staatliche Autorität. Der jüngste Appell des Chefs der US-Börsenaufsicht SEC an die Betreiber der Plattformen, sich beim Aufbau eines Regelwerks zu beteiligen statt dieses zu sabotieren, zeigt, wie angespannt dieses Verhältnis ist. In der EU kommen noch unterschiedliche Interessen der Mitgliedsstaaten als Hürde für eine wirksame Regulierung hinzu.

Aber lange kann man auf diese nicht mehr warten. Drei wichtige Ziele verfolgen die Behörden: die Nutzung von Kryptowährungen für Verbrechen wie Geldwäsche, Steuerhinterziehung oder Cyber-Erpressung zu verhindern, den immer häufiger auftretenden Anlegerbetrug zu stoppen und das Risiko von Finanzkrisen einzudämmen. Diese Gefahr ist noch gering, dazu ist der Krypto-Anteil am Weltfinanzmarkt zu klein. Hält das Wachstum weiter an, könnte sich das allerdings bald ändern.

Ironischerweise sind es gerade die wenig volatilen Stablecoin, die fest an eine etablierte Währung gebunden sind, die am meisten Probleme machen könnten, wenn sie sich als Zahlungsmittel und Anlageform etablieren. Denn das würde die Kontrolle der Notenbanken über das Finanzsystem schwächen.

Verbote stehen als Drohung auch im Westen im Raum, wären allerdings der falsche Weg. Der Krypto-Geist ist aus der Flasche und lässt sich nicht mehr zurückzwingen. Besser wäre es, die Entwicklung von digitalen Euro, Dollar, Pfund und Yen zu beschleunigen, mit denen die offizielle Geldpolitik und das Zahlungssystem vom Bankwesen entkoppelt werden könnten. Cyber-Währungen haben eine große Zukunft – aber nur als Teil eines regulierten Finanzmarkts und nicht als wilde Banditen. (Eric Frey, 2.9.2021)