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Neue Daten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) zeigen, dass die Neuinfektionen mit dem Coronavirus derzeit überwiegend Ungeimpfte betreffen: Demnach liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei den ungeimpften unter 18-Jährigen 16-mal höher als bei den geimpften. Bei den 18- bis 59-Jährigen liegt sie knapp sechsmal höher, und bei der Generation 60 plus ist sie immerhin noch mehr als fünfmal so hoch wie bei den immunisierten Menschen.

Die Stadt Wien gab Ähnliches bekannt: Von den 5.135 am vergangenen Montag gemeldeten aktiven Fällen waren 81 Prozent ungeimpfte Wienerinnen und Wiener. Rechnet man noch die nach nur einem von zwei Stichen Infizierten dazu, war bei 87 Prozent aller aktiven Fälle keine vollständige Immunisierung gegeben. Daraus ergibt sich eine Sieben-Tage-Inzidenz von 45,1 je 100.000 Einwohner bei den Vollimmunisierten und von 281,7 bei den nicht voll Immunisierten. Fast die Hälfte der aktuellen aktiven Fälle in Wien betrifft unter 30-Jährige.

Spitäler füllen sich

Bis Mitte September rechnet das Covid-Prognose-Konsortium mit einer Überschreitung der Zehn-Prozent-Hürde beim Belag der Intensivbetten. Dann sind planbare OPs zu verschieben. Im Worst-Case-Szenario wäre bei den Intensivbetten in Oberösterreich und Vorarlberg ein Überschreiten der 33-Prozent-Grenze möglich. Ab diesem Richtwert gilt das System als überlastet.

Die Zahl der Geimpften in Österreich wächst nur sehr langsam, am Mittwoch waren 61,64 Prozent der Gesamtbevölkerung voll immunisiert. "Jeder Prozentpunkt mehr kann einen Unterschied in den Spitälern machen", heißt es im Gesundheitsministerium. Der grüne Minister führe daher derzeit Gespräche mit dem türkisen Koalitionspartner über Maßnahmen, die einen Anstieg der Impfkurve bringen sollen. Vermutlich nächste Woche will man sich auch mit den Ländern abstimmen. Details, welche Regeln gegen die Pandemie dann bald gelten könnten, werden noch nicht verraten.

Mehr Maskenpflicht in Innenräumen und eine Verkürzung der Gültigkeitsdauer von Tests, beides in Wien bereits umgesetzt, sind aber schon länger im Gespräch. Auch die Frage, ob Corona-Tests noch in großer Zahl gratis bleiben, liegt auf dem Tisch. Mehrere Landeshauptleute wiederholten am Mittwoch ihre Forderung nach einem Ende der Gratistests.

1G, 2G oder 3G

Die Bundesregierung denkt einstweilen laut darüber nach, nur noch Geimpften Zugang zur Nachgastronomie zu gewähren, sollte die Corona-Situation schlimmer werden. Geimpfte seien geringere Infektionstreiber als "nur" Getestete, argumentieren Virologen. Doch Verfassungsjuristen sind sich nicht komplett einig, ob die "Besserstellung" der 5,2 Millionen Vollimmunisierten verhältnismäßig ist.

Auch unter Virologinnen und Virologen ist die 1G-Regel nicht unumstritten. Für Diskussion sorgt, inwieweit die mehr als 653.000 Genesenen von Verschärfungen ausgenommen werden müssten. Der Infektiologe Herwig Kollaritsch empfiehlt eine einmalige Impfung, weil ihre Immunantwort vom Krankheitsverlauf abhängig sei. Dann wären die Genesenen auf 1G-Niveau. Laut Virologin Dorothee von Laer seien Genesene an sich besser vor Ansteckung geschützt, die Immunantwort sei breiter, weshalb sie von Haus aus für 2G plädiert. Eine Auffrischung nach sechs Monaten sei sinnvoll.

Bisher ist die Sache noch einfach: Wer geimpft, getestet oder genesen ist, bekommt Zugang zu Bereichen wie der Gastronomie. Aber auch diese Regel wurde bereits verschärft. Vor nicht allzu langer Zeit erhielt man ein "G" schon am 22. Tag nach dem ersten Impfstich. Das hat das Gesundheitsministerium abgestellt. Das "G" gibt es erst bei Vollimmunisierung. Beim heurigen Donauinselfest ist aber selbst das zwecks größtmöglicher Sicherheit zu wenig: Für die Teilnahme braucht es einen PCR-Test, der nicht älter als 48 Stunden ist – das gilt auch für Geimpfte.

Variante My – eine alte Bekannte

Auch neue Varianten werden im Herbst wohl weiter zu beobachten sein. Zuletzt hatte die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, die Variante My als "Variante von Interesse" eingestuft. Das bedeutet, dass man sie weiter beobachtet. Die auch als B.1.621 bekannte Variante ist für 39 Prozent der Infektionen in Kolumbien verantwortlich und auch in weiteren Ländern Südamerikas sowie in Europa präsent. Ihre globale Verbreitung liegt aber unter 0,1 Prozent.

Sorgen muss man sich wegen dieser Variante nicht machen, betont der Molekularbiologe Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA). Er führt mit seinem Team die meisten Covid-Sequenzierungen österreichweit durch: "Diese Variante war bei uns von Woche 22 bis 26 präsent, vor allem in Vorarlberg, insgesamt gab es 59 Fälle. Danach ist sie wieder komplett verschwunden. Das zeigt, dass sie sich gegen Delta nicht durchsetzen kann." Der Hintergrund: In Südamerika war Delta lange nicht präsent, deshalb konnten sich andere Mutationen ausbreiten. Gegen das deutlich infektiösere Delta hat My aber wenig Chance. (Pia Kruckenhauser, Jan Michael Marchart, Gudrun Springer, 1.9.2021)