Clevere Hunde lernen, in welchem Gefühlszustand sich ein Mensch befindet.
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Schon kürzlich stellten Forschende fest, dass Hunde sich in Menschen "hineinversetzen" können – also merken, was zum Wissenshorizont eines Menschen gehört und was nicht. Ein weiteres Puzzleteil zur Erforschung des Verhaltens der Vierbeiner liefert nun ein Forschungsteam der Universitäten von São Paulo in Brasilien und von Lincoln (Großbritannien): Sie beobachteten das Verhalten von mehr als 90 Haushunden, um zu untersuchen, wie sie menschliche Gefühlsäußerungen mit nachfolgenden Handlungen in Verbindung bringen.

Diese Fähigkeiten wurden bisher nur Menschen zugeschrieben. Um dies für Hunde zu testen, wurde ihnen im Rahmen der Studie eine soziale Interaktion zwischen zwei ihnen unbekannten Menschen vorgeführt. Die Situation konnte positiv (glücklich), negativ (wütend) oder neutral (ohne eine bestimmte Emotion) sein. Nachdem sie gesehen hatten, wie die beiden Schauspielenden schweigend miteinander umgingen, bekamen die Hunde die Gelegenheit, sich einem Futter zu nähern, das unterschiedlich leicht zu erreichen war. Es war entweder frei für sie verfügbar – oder die Hunde brauchten die Hilfe der Menschen, um an das Futter zu gelangen.

Zum Zeitpunkt ihrer Wahl verhielten die Menschen sich neutral. Daher mussten sich die Hunde an die zuvor ausgedrückten Emotionen der Personen erinnern und dieses Wissen nutzen, um zu entscheiden, welchen Weg sie einschlagen wollten.

Komplexe Vorgänge

Die Erstautorin der Studie, die Verhaltens- und Kognitionsforscherin Natalia Albuquerque von der Universität São Paulo, fasst das Ergebnis zusammen: "Wir haben festgestellt, dass Hunde im Allgemeinen jene Menschen wählen, die einen positiven Ausdruck gezeigt haben, und die Menschen meiden, die einen negativen Ausdruck gezeigt haben." Außerdem mussten die Hunde den emotionalen Zustand der Personen eher berücksichtigen, wenn sie das Futter nicht selbst erreichen konnten und auf Hilfe angewiesen waren.

Die Information über die emotionale Lage der Person war für die Hunde offenbar wichtiger als ein anderer Faktor: Bei der zuvor gespielten Szene gab es immer einen neutralen Gegenstand, der von einer Person an die andere übergeben wurde. Welche Menschen zu den Gebenden oder Empfangenden zählten, war den Hunden für ihre Entscheidung nicht so wichtig.

"Dies deutet darauf hin, dass Hunde Informationen aus emotionalen Äußerungen gewinnen, auf den emotionalen Zustand schließen und dies bei der Entscheidungsfindung nutzen können", sagt Albuquerque. Dahinter stecken sehr komplexe kognitive Vorgänge: Die Tiere müssen die emotionalen Zustände der Menschen aus sogenannten Repräsentationen ableiten, die sie in ihrem Gedächtnis erzeugt und gespeichert haben. Eine schablonenartige Repräsentation steht also für einen Zustand. Dieses Wissen muss dann in neuen Kontexten verwendet werden.

Tier-Mensch-Interaktion erforscht

Mit dieser Fähigkeit können sich auch Menschen oft genug schwer tun. Generell dient das Beobachten der Gefühlsäußerungen anderer aber auch uns dazu, unser Handeln zu steuern. Dass auch Hunde dazu in der Lage sind und verschiedene eigene Entscheidungen davon abhängig machen, welches Verhalten sie für Menschen vorhersagen, ist bemerkenswert.

Die Arbeit stellt eine Grundlage für weitere Studien dar, sagt die ebenfalls beteiligte experimentelle Psychologin Briseida Resende: "Künftige Studien, die das Geschlecht, die Rasse, das Alter und die Dauer des Zusammenlebens mit den Besitzern von Hunden sowie andere Spezies untersuchen, werden auf diesen Ergebnissen aufbauen und ein tieferes Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen der Emotionserkennung und -ableitung bei Tieren ermöglichen."(red, 2.9.2021)