Seit dem Aufheben des Mietendeckels im Frühjahr gab es in Berlin mehrere Demos gegen hohe Mieten und Spekulation.

Foto: imago/Müller-Stauffenberg

Wer in Berlin eine Wohnung sucht, braucht ein entsprechendes Budget, Glück oder Connections. Letzteres hatte die Wienerin Flora, die seit dem Vorjahr in Berlin studiert. Hier führte sie der Weg von einer Couch bei einem Bekannten über ein Hotel und eine WG mit einer Familie in eine kleine Wohnung in Charlottenburg, für die sie 600 Euro Miete zahlt. Ein Glücksfall, wie sie weiß: Sie kannte die Vormieterin und sagte zu, bevor sie die Wohnung überhaupt besichtigt hatte.

Floras Freundin Hana hatte weniger Glück. Es dauerte ein Jahr, bis sie in Treptow-Köpenick fündig wurde. Auf der Suche nach einer WG-tauglichen Wohnung war sie – trotz Corona – bei Massenbesichtigungen, bei der sich die Warteschlange um den Häuserblock schlängelte. Sie erinnert sich an Wohnungen mit abgeranzten Tapeten, zerkratzen Böden, alten Rohren. So wie auf den Bildern schauten die Wohnungen nie aus. Die Mieten waren happig. "Dem Makler kann man dann noch ein, zwei Fragen stellen – aber dafür muss man sich auch anstellen", erzählt Hana.

Absurde Mietobjekte

Die deutsche Hauptstadt hat sich in den letzten 20 Jahren von toter Hose zum Sehnsuchtsort entwickelt. Damit hat der Wohnungsneubau nicht Schritt gehalten. Das Resultat sind die erwähnten Probleme – und mitunter absurde Mietobjekte: Immer wieder landen beispielsweise Badezimmer auf Plattformen, für die ein zahlungsfreudiger Bewohner gesucht wird.

Es gibt auch andere Lösungsansätze für die Wohn-Misere. Eine lautet: Enteignung. Die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" möchte die Wohnungsbestände großer Immobilienkonzerne vergesellschaften. Neben der Bundestagswahl und der Wahl zum Abgeordnetenhaus wird am 26. September in Berlin auch darüber entschieden. Ein Viertel der Wahlberechtigten müsste sich dafür aussprechen. Dafür werden derzeit beispielsweise Haustürgespräche geführt, berichtet Rouzbeh Taheri, Sprecher der Initiative. Nach dem Aufheben des Mietendeckels durch den Bundesverfassungsgerichtshof vor einigen Monaten mussten viele die Miete nachzahlen. Das habe für Wut gesorgt: "Viele haben Angst, dass sie mit der nächsten Modernisierungsankündigung ihre Mieten nicht mehr zahlen können."

Keine Umwandlungen mehr

Für Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln ist diese Enteignungsdebatte "fast ein Tabubruch". Sollte es zu Enteignungen kommen, müssten die Immobilien von der Stadt zum Marktwert gekauft werden. "Das wird teuer." Der Senat rechnete zuletzt mit bis zu 39 Milliarden Euro, die nötig wären. Rouzbeh Taheri widerspricht: Das deutsche Grundgesetz sehe einen Ausgleich beider Interessen vor – und nicht den Höchstpreis.

Auch abgesehen von Enteignungen tut sich etwas am Wohnungsmarkt: Vor kurzem trat ein – befristetes – Umwandlungsverbot in Kraft, das es in Ballungsräumen erschwert, aus Mietwohnungen Eigentumswohnungen zu machen. Voigtländer ist skeptisch: Damit blieben zwar Mietwohnungen erhalten – allerdings sei es für Investoren immer noch attraktiv, Altmieter loszuwerden, um die Wohnungen teurer neu zu vermieten.

Was könnte helfen? Indem man besser steuert, was gebaut wird, meint Voigtländer. Städte müssten bei ihren Grundstücken mehr mitreden – und diese nicht immer nur zum Höchstpreis verkaufen. Außerdem empfiehlt der Ökonom Unterstützung bei der Eigentumsbildung – und schlägt vor, jenen zielgerichteter zu helfen, die überlastet sind.

Klar ist: Der 26. September wird ein wichtiger Tag. Rouzbeh Taheri geht davon aus, dass der Druck auf die Politik steigen wird: "Aber wir richten uns darauf ein, dass es nach dem Volksentscheid weitergeht." (Franziska Zoidl, 5.9.2021)