Das Ars Electronica Center in Linz.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Mehr aktive Nutzer und nicht nur passive Empfänger von Künstlicher Intelligenz (KI) und eine gerechtere Verteilung dieser Nutzung, bis zu einem "sozialen Google" wünscht sich der Unternehmer Kilian Kleinschmidt. Der Deutsche arbeitet derzeit in Tunesien an etlichen Projekten und wird beim Ars Electronica Festival in Linz sowohl an der Festival University als auch an einer Diskussion zum Thema, wie KI das Allgemeinwohl voranbringen kann, teilnehmen.

"Wir haben eine Perspektive von acht Milliarden Menschen, die meisten sind über ein Handy digital an die Welt angeschlossen. Die Smartphones werden aber wenig genutzt, am meisten für Whatsapp oder Facebook", beschreibt er die Ausgangslage. Von einer positiven Nutzung von KI sei man dabei weit entfernt, die meisten Menschen seien passive Empfänger. Er arbeitet seit 2014 – mit seinem Unternehmen switxboard – daran, aktive Vernetzung herzustellen.

Hintergrund

Kleinschmidt war bis 2014 Beamter der Vereinten Nationen, seit 2015 Berater des österreichischen Innenministeriums. Aktuell ist er Teil einer Migrationsarbeitsgruppe in Berlin und setzt gerade in Tunis ein großes Migrationsprojekt um, das auch vom österreichischen Innenministerium und dem Europäischen Migrationsfonds finanziert wird.

"Es geht um die irreguläre Migration in Tunesien, einerseits mit Migranten aus der Subsahara, andererseits mit aus Europa abgeschobenen Tunesiern." Dazu habe er 50 Mitarbeiter in sechs Büros mit Beratungsstellen, Psychologen, Rechtsberater, auch Menschen, die in Stadtteile gehen, wo die Leute sich aufhalten und individuelle Lösungen suchen.

Viele würden per Boot nach Italien fahren, abgeschoben und wiederkommen. "Es geht darum, diese Zyklen, diese Logik zu unterbrechen, mit einer Berufsausbildung, mit sozialer Aktivität, Engagement." Viele Menschen aus anderen Staaten hätten keine Papiere mehr, diese müsse man legalisieren und "dann zurück oder hier in Brot und Arbeit bringen". Oft gehe es um furchtbare Schicksale.

Durch die Vernetzung der einzelnen Akteure mehr Kapazitäten zusammenzubringen, sei das Konzept des switxboards. "Wir haben hier in einem einzigartigen Projekt 14.000 verschiedene (Sozial-)Dienstleister in Tunesien digital erfasst von Frauenhäusern bis zur Drogenberatung." Das baue man zu einer App aus in Zusammenarbeit mit der Mokli-App für obdachlose Jugendliche in Deutschland und Karuna e.V. in Berlin. "Man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern nur zusammenführen, was schon da ist. Das ist diese Intelligenz, die wir brauchen", beteuerte Kleinschmidt.

Soziale Nutzung

Technische Geschichten würden nur von Techgiganten genutzt, "wir sind nur zu dumm dazu, diese auch sozial zu nutzen". "Wir müssen uns das Feld erobern, es proaktiv sozial besetzen, es braucht ein soziales Google." Das Geld dazu müsse man auftreiben, denn auch im Start-up-Bereich gehe es sehr elitär zu, das sei ungerecht. "Diese Sozialisierung der Techtools, das ist die richtige Revolution, die wir brauchen."

Das Ausschöpfen von technischen Möglichkeiten müsse in alle Richtungen gehen. Es gelte, Fehler aus denen wir gelernt haben, in anderen Ländern zu vermeiden, etwa statt in fossil betriebene Mobilität gleich in Elektro- und Solarenergie umzuspringen. Da gebe es viele Chancen, die genutzt werden können. Bedenklich sei, dass die Finanzierungsmodelle oder -modalitäten nicht stimmen, so der Experte.

Die große Chance sei, diese Fehler nicht zu wiederholen. Zum Glück hätten auch einige Staaten der sogenannten Entwicklungsländer verstanden, dass man nachhaltiger arbeiten müsse. In Ostafrika sind in einigen Ländern Plastiksackerln verboten. "Nairobi hat als Standard im Wohnbau solar verpflichtend gemacht". Alte Autos dürfen nicht mehr importiert werden. Man müsse nur wissen wie es geht. "Man könnte heute jegliche Erfindung anhalten, im Grunde haben wir die Lösungen für die meisten Probleme schon", bekräftigte Kleinschmidt, "die Frage ist, wie wir es zusammenschrauben, auch finanziell. Obwohl es auch Geld wie Sand am Meer gibt in unserem kapitalistischen System, ist es schwierig etwas aufzustellen".

Über Vernetzung und Paradigmenwechsel, wenn es um Hilfe und Zusammenarbeit geht, weg von Kolonialdenken spricht Kleinschmidt auch bei der Festival University. (APA, 3.9.2021)