Am 14. September gelangt bei Sotheby’s in New York eine in Umfang und Güte außergewöhnliche Sammlung an historischem Meissener Porzellan zur Auktion: 117 Objekte aus dem 18. Jahrhundert, die seit mehr als 60 Jahren im Rijksmuseum in Amsterdam, im Kunstmuseum Den Haag und im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam verwahrt wurden. Bis das niederländische Restitutionskomitee im Dezember 2019 die Rückgabe an die Erben jüdischer Sammler empfahl, die sich zum Verkauf entschlossen.
Die Experten des Auktionshauses erwarten einen Erlös von mehr als zwei Millionen Dollar. Denn teils haben die Objekte eine überaus prominente historische Herkunft: Sie waren einst in der königlichen Sammlung von Sachsen in Dresden beheimatet und im frühen 20. Jahrhundert ausgesondert und versteigert worden. Eine für leidenschaftliche Porzellansammler wie Franz und Margarethe Oppenheimer aus Berlin verführerische Gelegenheit.
Exil auf Zeit
Franz kam ursprünglich aus Hamburg, war Jurist und Geschäftsführer sowie Teilhaber eines in der schlesischen Kohleindustrie führenden Unternehmens. Margarethe, Tochter eines Kaufmanns, kam aus Wien, wo die beiden im März 1902 im Stadttempel geheiratet hatten. Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten lebte das gutsituierte Ehepaar in Berlin.
Um der Verfolgung aufgrund ihrer jüdischen Herkunft zu entgehen, entschlossen sich die beiden im Dezember 1936 zur Flucht in das vermeintlich sichere Österreich und mieteten eine Wohnung in Wien.
Verkauf finanzierte Flucht
Die Redensart "vom Regen in die Traufe" beschreibt nur unzureichend das Schicksal der beiden, von denen die Nazi-Behörden die Reichsfluchtsteuer am Ende zweifach kassieren sollten. Wenige Stunden vor dem Einmarsch der deutschen Truppen am 12. März 1938 war Franz und Margarete Oppenheimer die Flucht nach Budapest gelungen. Im Mai 1939 verfügte das Magistrat die Beschlagnahme der in der Wiener Wohnung verwahrten Porzellane, diversen Antiquitäten und Gemälde. Die Behörden fanden allerdings deutlich weniger vor, als erwartet: Franz Oppenheimer hatte – zur Finanzierung der Flucht und des Lebensunterhaltes – einen größeren Teil seiner Sammlung an Fritz Mannheimer verkauft, einen jüdischen Bankier, der in Amsterdam die Niederlassung der Berliner Mendelssohn-Bank leitete.
Porzellan für das Führermuseum
Als Letztere von den Nazis geschlossen wurde, schlitterte Mannheimer in den Bankrott und verstarb kurz darauf an einem Herzinfarkt. Zur Deckung der Verbindlichkeiten wurden sämtliche seiner Vermögenswerte liquidiert: auch die Porzellansammlung der Oppenheimer, die Kajetan Mühlmann 1941 für das Führermuseum erwarb und die nach dem Zweiten Weltkrieg in den Besitz der Niederlande überging.
In Österreich fanden sich 14 Gemälde in Altaussee, ein Gobelin im Dorotheum, eine Rokoko-Kommode sowie einige Porzellanobjekte, die 1948 an die Familie Oppenheimer restituiert wurden, die nach ihrer mehrjährigen Flucht über Schweden und Kolumbien schließlich in New York eine neue Heimat gefunden hatte. (Olga Kronsteiner, ALBUM, 5.9.2021)