Fritz Königs "Sphere" (1967–71) inmitten der 9/11-Ruinen kurz nach dem Anschlag. Die beschädigte Skulptur steht heute als Mahnmal wieder auf dem Gelände des World Trade Center, im Liberty Park.

Gerhard Richter war einer von tausenden Passagieren, deren Flug in den Stunden nach dem Anschlag auf das World Trade Center (WTC) am 11. September 2001 umgeleitet wurde. Statt in New York landete der international bekannte deutsche Künstler in der Provinz, konkret im kanadischen Neuschottland. Für ihn, der 1978 im Sommersemester am Nova Scotia College of Art and Design in Halifax unterrichtet hatte, war es quasi kein völlig fremdes Terrain, jedoch aufgrund der Umstände nicht weniger irritierend als für die anderen dort Gestrandeten.

Die TV-Sender übertrugen zu diesem Zeitpunkt längst live, auch den Kollaps der beiden Hochhäuser. Der Moment, in dem die Attentäter das zweite Flugzeug in den Südturm der Twin Towers steuerten, lief in einer Endlosschleife. Es ist jene Sequenz, die Richter 2005 unter dem schlichten Titel September auf Leinwand abstrahiert. 2008 gelangte das Gemälde geschenkweise in den Bestand des Museum of Modern Art (New York).

Terror als Motiv

Exemplare der 2009 produzierten Digitaldruck-Edition gastieren regelmäßig als Repräsentanten der Kunst im Zeitalter des Terrors bei Ausstellungen in Europa und Übersee. Sporadisch gelangen solche auch auf den Markt, mal über Galerien, dann wieder über Auktionshäuser, wo sie um die 125.000 Euro erzielen.

Etwa zehn Prozent mehr fallen für Eric Fischls Bronze Tumbling Woman an: Die Darstellung zeigt eine nackte Frau im vermeintlich freien Fall, die der amerikanische Künstler als Teil einer Serie in Erinnerung an all jene Personen schuf, die aus dem brennenden Gebäude in den Tod gesprungen waren. Als die Skulptur ein Jahr nach dem Terroranschlag im Rockefeller Center präsentiert wurde, reagierte das New Yorker Publikum teils empört. Zu unsensibel, zu schonungslos, so die Kritik. Prompt wurde sie mit einer Plane verdeckt und schließlich abtransportiert.

Zerstörte Kunstwerke

Dem Terroranschlag selbst waren mehr als 3000 Menschen zum Opfer gefallen. Beim Einsturz der Twin Towers wurden weiters unzählige Kunstschätze vernichtet, sowohl historische als auch zeitgenössische Werke. In welchem Umfang, konnte auch Jahre nach dem Attentat nur eingeschränkt rekonstruiert werden. Insider bezifferten den Verlust auf mehr als 100 Millionen Dollar. Dazu gehörten mehr als hundert Kunstwerke, die – im Wertumfang von einem Prozent des ursprünglichen Baubudgets, also etwa zehn Millionen Dollar – eigens für das WTC in Auftrag gegeben worden waren.

Dazu gehörte die Große Kugelkaryatide, eine auch "The Sphere" genannte Skulptur des deutschen Künstlers Fritz König, die – auf der Plaza zwischen den Türmen situiert – zwar beschädigt, aber nicht vernichtet wurde. Als man sie vorerst zum New Yorker Flughafen transportierte, fanden sich im Inneren Fragmente von Akten und Telefonbüchern und Teile eines Flugzeugsitzes, wie die auf Youtube verfügbare TV-Dokumentation Fritz Königs Kugel – Der Bildhauer und der 11. September im Nachhinein offenbarte.

moriundmori - Kunst-Dokus

Im März 2002 wurde sie als Mahnmal im Battery Park aufgestellt und kehrte im Herbst 2017, wenige Monate nach Fritz Königs Tod, auf das WTC-Gelände zurück. Unwiederbringlich zerstört wurden dagegen eine Tapisserie von Joan Miró und eine Skulptur von Alexander Calder, von der man im Zuge der umfangreichen Aufräumarbeiten noch Fragmente in den Trümmern fand. Weiters wurden mehr als 40 Arbeiten (unter anderem Paul Klee und Le Corbusier) vernichtet, die ehemals die Räumlichkeiten des Marriott-Hotels zierten.

Der mit Abstand prominenteste Verlust der Kategorie Kunst war jedoch die etwa 300 Skulpturen und Zeichnungen umfassende wohl größte Privatsammlung von Arbeiten von Auguste Rodin im Besitz der Brokerfirma Cantor Fitzgerald beziehungsweise ihres Vorsitzenden Howard W. Lutnick. Das Unternehmen hat bei dem Anschlag knapp 660 ihrer 960 Angestellten verloren. Eine schreckliche Tragödie, weshalb man den Verlust der Sammlung nie kommentierte.

Verluste und Terrorversicherung

Die vernichtete Rodin-Kollektion wurde von AXA Art mit rund 30 Millionen Dollar abgegolten, erzählt Nikolaus Barta, Gründer des in Wien beheimateten und international aktiven gleichnamigen Kunstversicherungs-Consulting-Unternehmens. Peanuts im Vergleich zum Gesamtschadensausmaß: Mit kolportierten 40 Milliarden Dollar hält 9/11 den Rekord als kostspieligstes Einzelereignis in der Versicherungsgeschichte.

Mittlerweile dürften die damaligen Zahlungen längst refinanziert sein, bescherte das katastrophale Ereignis der Branche doch ein Zusatzeinkommen in Form einer eigenständigen Terrorversicherung. (Olga Kronsteiner, ALBUM, 4.9.2021)