Neulich auf dem Campingplatz in Locquirec in der Bretagne. Am Muschelwaschbecken, wo sich jeder nach dem Wattfischen und vor der Zubereitung selbstgesammelter Meeresfrüchte trifft, unterhalten sich zwei Pariser Ehepaare Ende vierzig: "Wir haben heuer einmal auf den Flug nach Martinique verzichtet, um etwas fürs Klima zu tun", erzählen die einen stolz. "Ach, das ist ja interessant. Aus genau demselben Grund haben wir auch einen Campervan gekauft", bestätigen die anderen. Ein Blick über den Platz bestätigt allerorten das beherzte Auftreten gegen den Klimawandel. Überall stehen neue Wohnmobile und Vans, Zelte sind vergleichsweise wenige zu sehen.

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Überall in Europa dasselbe Bild: Auf Campingplätzen dominieren luxuriöse Wohnmobile und hippe Campervans.
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Um 91 Prozent mehr neue Wohnmobile als im letzten Jahr wurden gerade aus Österreich gemeldet. Doch wie die kleine Anekdote nahelegt, ist die neue Lust am Campen auf Rädern offensichtlich weitverbreitet in Europa. Ob Wohnmobile aber tatsächlich wertvolle Beiträge zum Umwelt- und Klimaschutz sind, sollte man zumindest kontrovers diskutieren. In einem Beitrag von Patrick Bauer im "SZ-Magazin" meldete dieser gleich mehrere Zweifel bezüglich der Wohltäterschaft an. Erst einmal seien gut 70.000 Euro und aufwärts für ein modernes Campingfahrzeug ohnehin Beträge, die nur Menschen aufbrächten, die sowieso mehrere Fahrzeuge besäßen und dadurch die Umwelt noch mehr belasten. Auch wundert er sich über die Doppelmoral in seinem Bekanntenkreis, wo gerne SUVs verflucht würden, nicht aber Campingbusse, die je nach Modell oft einen gleich hohen Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoß aufwiesen. Wie sieht es also tatsächlich aus mit dem ökologischen Fußabdruck von aktuellen Wohnmobilen?

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Beispiel Skandinavien-Reise: Wer dort eine Kreuzfahrt unternimmt, stößt in manchen Szenarien doppelt so viel CO2 aus wie beim Wohnmobilurlaub am Fjord.
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Lässt man zunächst den Caravaning Industrie Verband Deutschland (CIVD) darüber referieren, kommt diese Form des Reisens vergleichsweise gut weg. Der Verband hat etwa das Institut für angewandte Ökologie Freiburg und das Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg mit Studien dazu beauftragt. Im Vergleich zu Flugreisen, so ein Fazit, werden je nach Wohnmobilfahrzeugtyp und pro Personenkilometer um rund zehn Prozent weniger CO2 als bei einem Flug ausgestoßen. Das klingt nicht gerade nach einer großen Wohltat fürs Klima. Dennoch kommt das Freiburger Institut zu dem Schluss, dass der Urlaub im Wohnmobil eine umwelt- und klimafreundliche Alternative zu Fernreisen insbesondere mit dem Flugzeug sei. Der maßgebliche Faktor sei die Klimabilanz von Hotels mit Dauerbeleuchtung in Korridoren, 24-Stunden-Küche und generell zu hohem Energieaufwand. Im Gegensatz dazu kann Vanlife ein Lifestyle mit ausgeprägterem Ökologiebewusstsein sein: Man geht beim Campen oft sparsamer mit Ressourcen wie Essen, Wasser oder Energie um.

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Relativ klimafreundlich: Wenn man im Zug an- und im vollbesetzten Mietwagen weiterreist sowie im Zelt auf einem Campingplatz übernachtet, ist man kein arger Umweltschädling.
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Interessant sind direkte Vergleiche der Umweltbilanz von Reisen mit Wohnmobilen mit anderen beliebten Urlaubsformen, wie sie das Institut für Energie- und Umweltforschung zieht. Das Beispiel einer Skandinavien-Reise zeigt etwa: Auf einer Kreuzfahrt stoßen zwei Personen pro Nacht rund doppelt so viel CO2 aus wie bei einer typischen Wohnmobilreise nach Skandinavien. Dennoch sind Pkw-Fahrer, die dort auf einem Campingplatz übernachten, etwa in einer Hütte oder besser im Zelt, deutlich umweltschonender. Bei einer Vier-Personen-Besetzung sinken die Emissionen sogar noch einmal um die Hälfte. Dasselbe Institut sieht den rasanten Zuwachs der Wohnmobile aber auch nicht unproblematisch.

Teure alte Technik fährt noch lange

Die Emissionen bei der Produktion und beim Fahren können zwar durch geringere Umweltbelastung beim Übernachten und Wohnen in einigen Fällen kompensiert werden, aber dieser Effekt ist nur kurzfristig. Während Hotelübernachtungen und Pkws immer "grüner" werden, können die jetzt gekauften Wohnmobile ihre Bilanz nicht mehr verbessern. Diese werden aufgrund der hohen Anschaffungskosten mindestens die nächsten 15 Jahre herumfahren.

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Campervans und Wohnmobile sind als Alltagsfahrzeuge ein Problem in der Stadt, weil sie viel Sprit brauchen und einen hohen Platzbedarf haben.
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Laut CIVD machen Lieferwagen bzw. Kastenwagen mittlerweile knapp die Hälfte aller neu zugelassenen Reisemobile aus. Oft werden sie doppelt genutzt: als Urlaubs- und Alltagswagen. Auch das kann man kritisch sehen: Unter den Reisemobilen sind Kastenwagen zwar die effizienteste Form, eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung zeigt aber, dass sich die Emissionen nicht so sehr unterscheiden zu großen Modellen. Lieferwagen alias Campervans haben als Alltagsfahrzeug zudem in der Stadt nichts zu suchen, weil sie viel Sprit verbrauchen und Platz wegnehmen.

Volle Plätze, leere Mobile

Apropos Platzverbrauch: Auch auf so manchem Campingplatz könnte es in Zukunft eng werden, wenn die Neuzulassungen von Wohnmobilen weiterhin so rasant steigen, die Fahrzeuge aber "halbleer" unterwegs sind, wie deutsche Zahlen nahelegen. Die derzeit 1,1 Millionen Campingfahrzeuge in Deutschland haben durchschnittlich nur 2,4 Personen an Bord. Da liegt der Schluss nahe, dass auch auf den größten Campingplätzen irgendwann kein Platz mehr ist. (Sascha Aumüller, 7.9.2021)

Zum Weiterlesen: Warum man mit Wohnmobilen im Abo besser fährt