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Mathis Feldhoff, langjähriger ZDF-Journalist und Vorsitzender der Bundespressekonferenz, vor der berühmten blauen Wand.

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Viele Jahre gehörten sie zu den Stammgästen in der Bundespressekonferenz, im letzten Jahr mit Maske: Bundeskanzlerin Angela Merkel und der Regierungssprecher Steffen Seibert.

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Die blaue Wand wurde vor allem während der Corona-Pandemie zum wohlbekannten Hintergrund, vor dem die deutsche Regierung Entscheidungen verkündete und Fragen beantwortete. Denn während der Lockdowns begann man, die Bundespressekonferenz aus Berlin eine Zeitlang auch live im Internet zu streamen.

Sitzt man aber vor Ort auf einem der Stühle mit den Klapptischchen, sieht man nicht nur auf eine blaue Wand, sondern hat auch den weitläufigen orangefarbenen Teppichboden vor sich. "Teal and Orange", fällt einem da sofort ein. Zumindest, wenn man sich je mit Filmtheorie oder Color-Grading beschäftigen musste. Die Kombination aus genau so einem kühlen Blau und einem warmen Orange wird zum Beispiel besonders gerne in Blockbustern verwendet. Das hat verschiedene Gründe: Die beiden Farben erzeugen den stärksten Kontrast aller Komplementärfarben im Farbenspektrum, sie verleihen dem Bild Tiefe, schmeicheln der Hautfarbe, und nicht zuletzt erinnert uns die Kombi an einen Sonnenuntergang am Meer, an die "goldene Stunde", die angenehme Gefühle erzeugt. Wie auch immer: Es sieht gut aus.

Mehrmals pro Woche

Wenn man Bundespressekonferenz sagt, kann man dreierlei meinen: die Veranstaltung, die mehrmals pro Woche stattfindet, aber auch einen Verein, in dem sich hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten deutscher Medien zusammengeschlossen haben, oder das Gebäude am Berliner Schiffbauerdamm, in dem besagter Raum über einen hellen vierkantigen Innenhof erreichbar ist. Im Haus, das diesen Hof umgibt, sind auf mehreren Etagen auch die Büros zahlreicher Korrespondenten von Zeitungen sowie Radio- und Fernsehsendern aus aller Welt untergebracht.

Die Reihen im Auditorium der Bundespressekonferenz sind an diesem Spätsommermorgen schütter besetzt. Auch wenn nicht mehr für die breite Öffentlichkeit gestreamt wird, sehen sich viele Medienvertreter wegen der Pandemie die Pressekonferenzen mit einem eigenen Zugang weiter aus der Ferne am Computer an.

Corona und Afghanistan

Dass Medienunternehmen mittlerweile eine immer größere weibliche Belegschaft haben, könnte man an diesem Tag fast bezweifeln: 16 Männer und nur drei Frauen hören heute zu, was etwa der Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit, Hanno Kautz, Steve Alter vom Bundesinnenministerium oder Christofer Burger vom Auswärtigen Amt zu berichten haben. Mit dabei ist auch Regierungssprecher Steffen Seibert, wohl eines der bekanntesten Gesichter aus den Reihen der Sprecherinnen und Sprecher. Es geht heute vor allem um die beunruhigend steigenden Corona-Fallzahlen, Teststrategien und später um das umstrittene Ende des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan.

Es kommt zum Hickhack darüber, ob man erst vor oder schon mitten in der vierten Welle sein. Je nach Medium werden ruhige, präzise oder auch bewusst provokante Fragen gestellt. Nicht jede wird zur Zufriedenheit aller beantwortet. Aber man hat auch keine Eile.

Dienst im Rad

"Sie sind jemand, der immer gerne ein bestimmtes Wort bestätigt haben will", bemerkt Seibert in Richtung des Podcasters und Journalisten Tilo Jung, der mit hartnäckigen Nachfragen Schwung in die Runde bringt. "Sie brauchen sich nicht so theatralisch zu beschweren", meint wenig später der immer noch entspannt wirkende Mathis Feldhoff, langjähriger ZDF-Journalist und Vorsitzender der Bundespressekonferenz, der diese Woche die Runde leitet und moderiert. Der Dienst wird im Rad immer von einem anderen Vorstandsmitglied wahrgenommen.

Nach der Pressekonferenz erklärt Feldhoff dem STANDARD in seinem Büro auf der gegenüberliegenden Seite des Innenhofes das Wesen und die Geschichte der Institution Bundespressekonferenz.

Reaktion auf NS-Zeit

Denn während etwa in Österreich die Regierung die Medien jede Woche nach dem Ministerrat – und während Corona viel öfter – zum Pressegespräch einlädt, ist das in Berlin genau umgekehrt. "Das ist unsere Veranstaltung, das ist nicht die Veranstaltung der Bundesregierung", betont Feldhoff, "die Bundesregierung ist seit 70 Jahren Gast in der Bundespressekonferenz." Das sei eine Tradition, die als Gegenstück "zu den schrecklichen Presseveranstaltungen, die die Nazis gemacht haben, als die Reichspressekammer sehr genau selektiert hat, wer überhaupt an Veranstaltungen teilnehmen durfte, entstand. Die Kolleginnen und Kollegen haben dann nach dem Krieg in Bonn entschieden, einen eigenen Verein zu gründen, die Sache selber in die Hand zu nehmen und sich das nicht durch die Regierung organisieren zu lassen", führt Feldhoff aus.

Dabei gehe es nicht um die Frage, ob da eine Diktatur am Ruder ist. "Jede Regierung, auch demokratische, haben Interessen, und es gehört zum Naturell von Regierungen, dass sie manche dieser Interessen nicht gerne hinterfragt haben möchten", sagt Feldhoff, "unsere Aufgabe ist es, genau diese Fragestellungen in den Raum zu stellen, Handlungen und Tätigkeiten von Regierungen zu hinterfragen."

Moderator beendet Pressekonferenz

Ja, es werde nicht immer jede Frage zur Zufriedenheit aller beantwortet, sei es, weil man sie noch nicht beantworten kann oder aus taktischen Gründen nicht will, aber oft sei keine Antwort auch eine Antwort "und ein Auftrag erst recht weiter zu recherchieren", weiß Feldhoff.

Wann die Veranstaltung zu Ende ist, bestimmt jedenfalls der Moderator aus der Bundespressekonferenz und nicht ein Mitglied des Regierungsteams.

Diese Form der Organisation von Regierungspressekonferenzen in Deutschland hat übrigens weltweit ein Alleinstellungsmerkmal. "Nur in Argentinien gibt es das noch", räumt Feldhoff ein, "aber die haben sich das von uns abgeguckt."

Nach der Wiedervereinigung siedelte der Hauptsitz der Bundespressekonferenz von Bonn nach Berlin. Was die Mischung der Untermieter im Haus angeht – wie erwähnt großteils Korrespondentenbüros –, habe man ein Auge darauf, dass diese über die Hälfte journalistisch bleibe und nicht zu viele PR-Unternehmen einziehen. Der Verein Bundespressekonferenz selbst habe weit über 900 Mitglieder, die Zahl ist seit Jahren relativ konstant.

Kontrolleure an der Spree

Der Bau des Hauses auf einem ehemaligen Gelände der Bahn war eine "hoch spannende und hoch demokratische Angelegenheit", erinnert sich Feldhoff. Es war einerseits immer wichtig, dass die Bundespressekonferenz "ihren Sitz in der Mitte des Regierungsviertels hat, aber gleichzeitig so ein bisschen symbolhaft durch die Spree getrennt von Parlament und Regierung". Denn man habe natürlich "eine gewisse Distanz zu den politisch Handelnden als "Kontrolleure und Berichterstatter". "Dieses Gebäude ist die in Stein gebaute Pressefreiheit dieses Landes", resümiert Feldhoff. (Colette M. Schmidt, 7.9.2021)