Drei Meldungen aus den USA:

1) Der Oberste Gerichtshof hat ein Gesetz des Staates Texas stehenlassen, das Abtreibungen praktisch unmöglich macht.

2) Die Familie Sackler, Eigentümerin eines gewaltigen Pharmakonzerns, der für die in den USA grassierende Opioid-Seuche (süchtig machende Schmerzmittel) verantwortlich gemacht wird, hat in einem gewaltigen Klageverfahren einem Vergleich zugestimmt, der sie zwar zur Zahlung von 4,5 Milliarden Dollar und einigen unangenehmen Auflagen verpflichtet, sie aber von künftigen Klagen freistellt.

3) Die Schussunfälle mit Kindern in amerikanischen Haushalten sind dramatisch gestiegen, um rund 30 Prozent gegenüber 2019.

Diese scheinbar unzusammenhängenden Meldungen – und viele andere – signalisieren eine gemeinsame Grundströmung: Die amerikanische Gesellschaft verlässt den Pfad der Vernunft, der Gerechtigkeit und der liberalen Demokratie. Fundamentalistische, irrationale, obskurantistische, zum Teil auch extreme Kräfte gewinnen die Oberhand.

Donald Trump hat den Supreme Court mit einer reaktionären Mehrheit versehen. Die Entscheidung, das extremistische texanische Abtreibungsgesetz nicht zu kippen, bestärkt die Vermutungen, dass der Gerichtshof nichts dagegen hätte, die bahnbrechende Abtreibungsliberalisierung von vor einigen Jahrzehnten (Roe vs. Wade) ebenfalls zu nullifizieren. Damit wäre der Weg für ein Abtreibungsverbot in den ganzen USA beschritten.

Gerrymandering

Das texanische Gesetz ist mit republikanischer Mehrheit beschlossen worden, die aber nur zustande kam, weil in diesem Staat das sogenannte Gerrymandering – das Umzeichnen von Wahldistrikten zugunsten der Weißen und zuungunsten von Minderheiten – besonders krass war. Und nun beschließt dieselbe Mehrheit noch weitere Bestimmungen, die praktisch den Minderheiten das Wahlrecht nehmen. Eine Spezialperfidie in dem Gesetz erlaubt völlig unbeteiligten Privatpersonen, jene zu klagen, die bei der Abtreibung helfen.

Der Sackler-Deal könnte unter dem Stichwort Ultrakapitalismus abgelegt werden, hätte er nicht auch eine massive politische Dimension: Die süchtig machenden Schmerzmittel wurden aggressiv unter der deklassierten Arbeiterschaft vermarktet, die sich als abgehängt betrachtet und in den massenhaften Missbrauch flüchtete. Und Trump wählte.

Die hunderten Unfälle mit Schusswaffen mit Kindern und Schusswaffen im Haus kamen zustande, weil sich die ohnehin waffenverliebten Amerikaner in Corona-Zeiten mit noch mehr Schießgerät eindeckten – und die Kinder mehr zu Hause waren. Eine Dreijährige tötete ihre Mutter mit der herumliegenden Waffe, während die in einer Videokonferenz war.

Es gibt noch zahlreiche andere Indizien, die auf eine Entzivilisierung der US-amerikanischen Gesellschaft hindeuten (allein, dass immer noch eine Mehrheit der Republikaner glaubt, dass die Wahl "gestohlen" wurde). Es zeigt sich: Der Trump-Spuk, der das alles begünstigt hat, ist nicht vorbei, und die Frage ist, ob Joe Biden einen solchen Unterschied macht wie erhofft. (Hans Rauscher, 3.9.2021)