Entspannung kommt bei vielen Frauen im Schwimmbad nicht auf – sie fürchten Übergriffe und Sexismus.

"Im Schwimmbad, mit acht oder zehn Jahren, stand ein Mann plötzlich ganz nah hinter mir. Er hat meine Freundin und mich gefragt, ob er uns beim Schwimmen helfen soll", erzählt die 22-jährige Jaqueline. "Wir fanden ihn verstörend, er hat uns nicht aus den Augen gelassen und sich scheinbar selbst angefasst. Das hat mich richtig traumatisiert." Sie sei wegen solcher Erfahrungen bereits seit Jahren nicht mehr im Freibad gewesen – bis heute.

Jaqueline und ihre Freundin Anna liegen entspannt auf einer Wiese im Thermalbad Vöslau, sie sind extra aus Wien angereist. Denn: Zu dieser kleinen Grünfläche haben Männer an diesem Freitagnachmittag keinen Zutritt. Das allein sei aber nicht der Grund, dass die beiden hier sind: "Wir wollten uns solidarisch mit Madeleine zeigen. Wir folgen ihr auf Instagram und fanden die Idee toll. Es ist schlimm zu sehen, dass sie dafür so viel Hass geerntet hat." Madeleine Alizadeh hat den Badenachmittag für Frauen und Menschen, die als Frauen leben, organisiert. Die 32-jährige Unternehmerin und Influencerin kam Anfang des Sommers auf diese Idee, da sie immer öfter ähnliche Erfahrungen wie jene von Jaqueline zu hören bekam. Nach einem Aufruf auf Instagram, Frauen mögen ihre negativen Erfahrungen in Freibädern teilen, bekam sie tausende Rückmeldungen. Was sie mit dem Event losgetreten hat, habe sie allerdings selbst überrascht. Denn viele denken ganz anders über das Event als die Frauen auf der Wiese.

Safe Space oder Segregation?

"Wir gehen doch demonstrieren, damit Frauen keine Burkas tragen müssen! Und jetzt sollen wir uns in eigenen Bereichen verstecken?", empört sich eine ältere Badbesucherin. Sie bleibe heute jedenfalls im offenen Bereich, sagt sie. Auch aus feministischen Kreisen erntete Alizadeh Kritik. Frauen sollten sich nicht verstecken und in "Safe Spaces" zurückziehen müssen, argumentierten Aktivistinnen etwa auf Twitter. Stattdessen müssten Männer ihr Verhalten gegenüber Frauen ändern. "Natürlich muss sich die Gesellschaft langfristig und grundlegend ändern", sagt die Organisatorin dazu. "Doch wir brauchen dringend auch Orte, in denen wir uns heute sicher fühlen können!"

Falsche Verhältnismäßigkeit

Wer sich an diesem Spätsommertag auf der Wiese im Thermalbad Vöslau umsieht, auf der das Event stattfindet, muss sich zwangsläufig über die Aufregung der letzten Tage wundern. Das Areal ist in etwa so groß wie ein gewöhnlicher Gastgarten, statt Tischen liegen blaue Decken herum, auf denen sich Frauen unterhalten, Karten spielen und in der Sonne liegen. Einige haben ihre Oberteile ausgezogen, für Aufregung sorgt höchstens die Popcornmaschine, die den Kleinkindern den einen oder anderen begeisterten Schrei entfahren lässt. Alizadeh sagt dazu: "Was mich stört, ist, dass diese Veranstaltung mehr Aufmerksamkeit bekommt als die Übergriffe, von denen mir Frauen berichtet haben." Die Lust an der Aktion ist ihr dennoch nicht vergangen. Auch das Bad könne sich auch vorstellen, in Zukunft öfter solche Badebereiche ohne Männer anzubieten. Profit macht der Betrieb zwar keinen mit der Veranstaltung – die drei Euro Eintritt pro Person werden an den Afghanischen Frauenverein gespendet –, doch in sozialen Medien bekommt das Bad Applaus für die Aktion. Ob es diesen Zuspruch auch ohne den Aufschrei der Gegner gegeben hätte, bleibt offen. Vielleicht haben die Kritiker des Events so selbst den Grundstein für folgende Badetage dieser Art gelegt. (Antonia Rauth, 3.9.2021)