"Theorien hatten ein solches Ereignis vorhergesagt, aber nun können wir so etwas erstmals praktisch mit eigenen Augen verfolgen", meint Dillon Dong, Doktorand am California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena, USA, und Teil einer Gruppe von Astrophysikern, die einen völlig neuen Supernova-Typ beobachten konnte – eine Sternexplosion, die von einer Kollision im All ausgelöst wurde.

Erste Hinweise auf ungewöhnliche Vorgänge lieferten Analysen von Bildern des Very Large Array Sky Survey (VLASS), eines mehrjährigen Kartierungsprojekts. Das Projekt zielt darauf ab, von New Mexico aus in den kommenden Jahren rund 80 Prozent des Himmels im Radiobereich des Spektrums abzuhorchen und dabei voraussichtlich etwa 10 Millionen Radioquellen zu katalogisieren.

Die Illustration zeigt fortgeschleudertes Sternmaterial einer Supernova-Explosion, das auf früher ausgestoßenes Gas trifft. Dabei entsteht eine helle Radioemission.
Illustr.: Bill Saxton, NRAO/AUI/NSF

Radioquelle in ferner Galaxie

Bei der Durchsicht von VLASS-Aufnahmen aus dem Jahr 2017 fiel den Forschern ein sehr helles Radioobjekt auf, das aber in einer früheren Himmelsdurchmusterungen nicht aufgeschienen war. Grund genug, sich den VT 1210 + 4956 getauften Fleck mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii genauer anzusehen. Wie sich dabei herausstellte, saß die leuchtkräftige Radioquelle am Rand einer sternbildenden Zwerggalaxie, etwa 480 Millionen Lichtjahren von der Erde entfernt.

Caltech-Forscher Dillon Dong vor einer Radioschüssel des Owens Valley Radio Observatory.
Foto: Caltech

Folgeuntersuchungen untermauerten, was man bereits vermutete: Dort hatte eine Supernova stattgefunden, und zwar eine sehr ungewöhnliche. Die Forscher fanden sowohl einen entsprechenden Supernova-Überrest als auch Materie, die vermutlich in den letzten Jahrhunderten von einem Stern ausgestoßen worden war. Außerdem ergab eine Archivrecherche, dass an derselben Stelle im Jahr 2014 kurzzeitig eine helle Röntgenquelle aufleuchtete, ein Ausbruch, der üblicherweise bei der Explosion eines Sterns verursacht wird.

Tödlicher Tanz

Mithilfe der Daten all dieser Beobachtungen gelang es den Astronomen schließlich, die Geschichte dieses merkwürdigen Systems zusammenzufügen. Das Team glaubt, dass dort vor langer Zeit zwei Sterne einander in einem engen Tanz umkreisten. Als jedoch einer der beiden seinen Brennstoff aufgebraucht hatte, explodierte er. Zurück blieb ein extrem kompaktes Objekt – entweder ein Schwarzes Loch oder ein Neutronenstern – , das den zweiten Stern weiterhin umrundete.

Im Laufe der Zeit kamen sich die beiden immer näher, bis das kompakte Objekt vor rund 300 Jahren nahe genug war, um dem noch lodernden stellaren Partner allmählich Schicht für Schicht Materie zu entreißen. Dabei entstand ein großer Gasring um das System. Schließlich kollidierten die beiden Objekte, und der dichte dunkle Begleiter stürzte in den Kern des Sterns, was für diesen dramatische Folgen hatte, wie die Forscher nun im Fachjournal "Science" berichten.

Der Ablauf in Bildern: Ein Neutronenstern oder Schwarzes Loch umkreist einen "normalen" Stern und kommt ihm im Laufe der Jahrtausende näher (links oben). Der massive Sternenrest dringt in die Atmosphäre seines Begleiters ein und schleudert Gas in einer sich ausdehnenden Spirale nach außen (rechts oben). Als die beiden schließlich kollidieren, kommt die Kernfusion, die den Kern des Begleiters gegen die eigene Schwerkraft stemmte, zum Erliegen, und eine Supernova-Explosion wird auslöst (links unten). Das von der Supernova fortgeschleuderte Material holt bei früheren Wechselwirkungen herausgerissene Materie ein und verursacht starke Stoßwellen, die sich in Form von Radiowellen bemerkbar machen.
Illustr.: Bill Saxton, NRAO/AUI/NSF

Zwei Phänomene erklärt

Der Sternkollaps löste bei ihm eine vorzeitige Supernova aus, bei der ein im Röntgenlicht hell strahlender relativistischer Jet aus hochenergetischem Plasma freigesetzt wurde – eben jener Blitz, der in den Daten von 2014 auftauchte. Die Radioemission dagegen, die Jahre später erzeugt wurde, war eine Auswirkung des Materials der Supernova, das auf den Gasring um das System traf.

"Dass auch der Begleitstern von sich aus irgendwann explodieren würde, war klar. Aber die Kollision hat diesen Prozess merklich beschleunigt", meint Dong. "All die von uns gesammelten Puzzleteile passen ineinander", ergänzt Gregg Hallinan vom Caltec. "Zusammen ergeben sie das erstaunliche Bild eines toten Sterns, der in seinen Begleiter stürzt, wodurch auch dieser explodierte." (tberg, 4.9.2021)