Politisches Beruferaten. Robert Stachel (li.) und Peter Hörmanseder machen eine typische Handbewegung: die Merkelraute.

Foto: Alexi Pelekanos

Gerade noch rechtzeitig vor dem Ende der Amtszeit Angela Merkels präsentieren die beiden Satiriker von Maschek, Peter Hörmanseder und Robert Stachel, diesen Samstag ihren der Bundeskanzlerin gewidmeten Abend Maschek Macht Merkel in Berlin. Ganz genau im Tipi am Kanzleramt hinter dem Haus der Kulturen der Welt, nur ein paar Gehminuten von der "Waschmaschine", wie Berlinerinnen und Berliner den Sitz der Kanzlerin im würfelförmigen Haus mit der runden Fensterfront nennen. Das Programm hatte in Österreich schon 2019 Premiere.

STANDARD: Der Merkel-Abend endete 2019 mit drei Frauen: neben Merkel ihre damals geplante Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen. Das musste wohl adaptiert werden, oder?

Hörmanseder: Genau, und die Männerstimmen wurden am Schluss einfach weggedreht. Jetzt haben wir das weitergesponnen: Es regt sich gleich einer auf, dass das ein Skandal ist, und die Männer dürfen doch wieder reden. Dann geht’s in den aktuellen Wahlkampf. Und am neuen Ende macht Merkel mit ihrem Mann eine Abschiedsrunde. Irgendwie ein versöhnlicheres, verblödeltes Ende.

STANDARD: Wie intensiv wurde der deutsche Wahlkampf beobachtet?

Hörmanseder: Gar nicht intensiv. Aber man bekommt die Grundstimmung sowieso mit. Also, dass Annalena Baerbock wegen jedem Schas angeschossen wird, während die Männer zwar auch angeschossen werden, aber in der Handlungsebene bleiben. Von Wirecard bis zur Flut gibt es eigentlich immer konkrete Kritikpunkte, aber Baerbock muss kleingeschossen werden. So ein bissl wie bei Pamela Rendi-Wagner. Klar gibt es Plagiatsvorwürfe bei Baerbock, aber man müsste doch mehr über die Regierenden, also Laschet und Scholz, reden.

Stachel: Womit man sich bei Baerbock und Rendi-Wagner leider beschäftigt, ist oft eine Art Stilkritik. In diese Falle tappt man als Satiriker auch ganz gern. Ich finde auch nicht, dass man nicht über große Ohren Witze machen sollte, weil das unanständig wäre, sondern weil das im Grunde wurscht ist. Es ist zwar nicht das kleinste, aber das geringste Problem an Sebastian Kurz. Genauso ist das bei Baerbock. Sie bewirbt sich doch nicht als Rektorin der Humboldt-Universität. Andere Politiker haben nicht einmal einen akademischen Abschluss. Vielleicht war man auch mit Guttenberg (ehemaliger Verteidigungsminister Karl-Theodor Guttenberg, Anm.) zu hart. Ich bin da mittlerweile parteiübergreifend altersmilde. Ich mag diese penible Fehlersuche und dieses Petzen nicht. Petzen wir doch darüber, was jemand politisch falsch macht.

Hörmanseder: Das sehe ich anders. Wenn du einen akademischen Titel hast, hast du andere Berufschancen und einen besseren Verdienst. Der Steuerfahnder ist vielleicht auch eine Petze, aber nicht er ist der Böse, sondern der, der Steuern hinterzieht.

STANDARD: Wie sehr muss man sich sprachlich auf das deutsche Publikum einstellen? Charmant finden Deutsche das Österreichische ja oft, aber verstehen sie den Schmäh auch schon besser?

Stachel: Ich hab ein Jahr in Berlin gelebt und mit Erstaunen festgestellt, wie lieblich sie das alle finden. Aber du stößt relativ schnell an die Grenze, denn sie verstehen wirklich wahnsinnig wenig. Es ist erstaunlich, wie wenig man durchkommt selbst mit leichtem Dialekt. Es gibt natürlich die Weißwurstgrenze. Bis Nürnberg kann man sprachlich mehr oder weniger gleich spielen, aber man muss inhaltlich auf sie zugehen, denn die zweite Reihe österreichischer Politiker kennt niemand. Nach Nürnberg wird sprachlich alles völlig abgeschliffen, und wir sprechen dann dieses typische österreichische Hochdeutsch, das die Berliner immer noch für Dialekt halten. Ich bin immer sehr frustriert, wie eng diese Grenzen sind.

STANDARD: Wobei der Merkel-Abend international ist, mit unter anderem französischen, englischen Akzenten.

Stachel: Das ist für uns auch stilistisch und inhaltlich interessanter, als uns total in die deutsche Materie zu vertiefen. Dazu ist mein Interesse an der deutschen Politik auch nicht groß genug. Ich teile auch nicht die Idealisierung, dass in Deutschland alles so toll ist, es ist nur einfach alles zehnmal so groß. Aber ich halte es auch für ein bisschen ein marodes Land.

STANDARD: Inwiefern marode?

Stachel: Bis in die Achtzigerjahre galt es als Land, wo irrsinnig viel Fortschritt passiert, politisch, technologisch, sprachlich, in den Medien und der intellektuellen Auseinandersetzung. Ich sehe das heute nicht mehr so.

Hörmanseder: Vielleicht haben sie als Exportweltmeister ein bissl zu wenig im Land gelassen. Zum Beispiel das WLAN müssen sie außer Landes gebracht haben. Oder vielleicht liegt das auch daran, dass sie ab den Neunzigern ein ganzes Land mitschleppen mussten, also die ehemalige DDR, und nicht nur – wie Österreich – das Burgenland. Man könnte die Frage stellen, ob die Wiedervereinigung gescheit war.

STANDARD: Ist Angela Merkel zum Merkel-Abend eingeladen?

Hörmanseder: Das könnten wir eigentlich machen. Es ist ja gleich ums Eck vom Kanzleramt.

Stachel: Mich würde das sehr hemmen. Ich mag das in Österreich auch nicht, wenn die Politiker im Publikum sitzen.

STANDARD: Man könnte den Politikern bei der Gelegenheit ausrichten, nicht zu Maschek zu kommen.

Hörmanseder: Werner Faymann hat einmal Karten zurückgegeben, weil ich mich vorher darüber geäußert habe. Es kann ja auch nicht angenehm sein, wenn man zwei Stunden durch den Kakao gezogen und eher schlicht dargestellt wird.

STANDARD: Aber Merkel kommt doch eigentlich sehr gut weg.

Hörmanseder: Sie wurde am Anfang so väterlich von allen Typen durch die Gegend geschubst, so quasi als Kohls Mädchen. Sie dreht das bei uns, wie auch in echt, irgendwann um. Weil sie die Längstdienende ist, kann sie jeden wie einen kleinen Buben behandeln. Weil sie einfach immer schon da war. Sie ist ein Symbol der Macht, aber zwischendurch wirkt ihre Gestik so lustig ungelenk. Obwohl ihre Kleidung perfekt geplant und abgestimmt ist, bricht optisch immer wieder etwas absurd Menschliches aus ihr heraus. Und sie hatte auch echte menschliche Ausbrüche. Sie hat einfach gesagt: "Wir schaffen das." Das ist, glaube ich, was auch bleiben wird. Sie war bei uns eine Zauberfigur.

Stachel: Sie hat mit der echten Merkel relativ wenig zu tun. Sie gibt sich bei uns oft naiv und trickst alle aus.

STANDARD: Wer wäre die liebste Kanzlerin, der liebste Kanzler für Maschek?

Hörmanseder: Laschet ist satirisch eine taugliche Figur.

Stachel: Mich springt keiner der dreien an. Aber nachdem ich jetzt 16 Jahre Kanzlerin war, ist Peter dran, weil er auch Schröder war. Und ich spreche ja Kurz und müsste dann, wenn die beiden Kanzler zusammentreffen, nicht mehr mit mir selbst reden.

STANDARD: Ist da auch Wehmut, dass Merkel bald weg ist?

Stachel: Natürlich trauert man Figuren als Charakter hinterher, das könnte auch bei Kurz so sein. Man muss scharf trennen zwischen der Figur und der realen Person. Da fällt mir immer ein großer Unterschied zwischen deutschen und österreichischen Satirikern und Kabarettisten auf. Die deutschen Kollegen lassen viel mehr politische Meinung durchklingen bis hin zu einer pädagogischen Mission, die mich nervt. Da gibt es das politische Kabarett, das klingt wie der Pastor, der dem Volk erklärt, was es zu denken hat. Auf der anderen Seite hast du diese RTL-Comedy, wo nur geblödelt wird und im schlimmsten Fall alle Politiker Trotteln sind. Mir ist die österreichische Satirewelt sympathischer. Ich sehe mich da in einer anderen Funktion. Unsere Arbeit ist der Psychoanalyse näher als der Politikwissenschaft. (Colette M. Schmidt, 3.9.2021)