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Foto: REUTERS/Kai Pfaffenbach

PRO: Jeder Cent zählt

von Alexander Hahn

Dem Thema Inflation kann man sich aus mehreren Blickwinkeln nähern. Denn die eine Inflationsrate gibt es genau genommen nicht. In der Praxis sieht der Warenkorb für reiche Menschen nämlich anders aus als für ärmere. Dass wohlhabende Haushalte besonders stark vom derzeit hohen Preisauftrieb erfasst werden, würden Betroffene selbst wohl kaum merken, hätte es nicht ein Statistiker ausgerechnet. Für sie sind teurere Fernreisen und Oberklasseautos trotzdem leicht zu stemmen.

Anders sieht es bei Geringverdienern aus. Ob Lebensmittel oder Kleidung – jede Verteuerung schlägt voll durch. Sie können ohnedies kaum mehr als die Grundbedürfnisse abdecken.

Allerdings ist es für die Politik schwer, das Problem an der Wurzel zu packen. Die Preise regeln in einer Marktwirtschaft Angebot und Nachfrage, Eingriffe sind nur in manchen Bereichen wie etwa Mieten zu rechtfertigen. Daher liegt es an den Gewerkschaften, bei den Lohnverhandlungen auch für Geringverdiener einen entsprechenden Inflationsausgleich zu erzielen. Jedoch könnte dies wie in den 1970er-Jahren eine gefürchtete Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen.

Die Inflation nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, dafür ist die EZB verantwortlich. Doch die Währungshüter fahren trotz des starken Wirtschaftsaufschwungs unbeirrt eine sehr expansive und damit preistreibende Geldpolitik. Für arme Haushalte bleibt die Teuerung wohl weiterhin problematisch.(Alexander Hahn, 5.9.2021)

KONTRA: Gut für das Wachstum

von Eric Frey

Ein Jahrzehnt haben Ökonomen über zu wenig Inflation in der Eurozone geklagt. Trotz einer ultralockeren Geldpolitik verfehlte die Europäische Zentralbank ihre Zielmarke von rund zwei Prozent. Immer wieder drohte Deflation, also ein stetig fallendes Preisniveau.

Diese Gefahr ist gebannt. Steigende Rohstoffpreise, Lieferkettenprobleme und eine stärkere Nachfrage treiben viele Preise nach oben und die Inflationsrate auf ein Niveau, an das sich viele nicht mehr erinnern können. Aber historisch gesehen sind Raten von drei oder gar vier Prozent immer noch moderat und helfen einer Wirtschaft, die gerade erst aus der tiefsten Rezession seit Jahrzehnten auftaucht, zu wachsen.

Es ist ein Irrglaube, dass eine etwas stärkere Geldentwertung die Menschen ärmer macht. Wenn die Preise steigen, tun das auch Gehälter und Pensionen. Das war auch während der teils zweistelligen Inflationsraten der 1970er-Jahre der Fall.

Eine solche Entwicklung sollte dennoch vermieden werden, und Hyperinflation ist eine Katastrophe für ein Land. Aber davon sind wir weit entfernt. Die EZB erwartet, dass sich die Inflation bald wieder einpendelt. Geschieht das nicht, dann wird sie unweigerlich die Zinsen anheben, denn Preisstabilität ist ihr wichtigster Auftrag.

Bis dahin zahlen jene drauf, die ihr Geld auf der Bank liegen haben. Aber auch das ist nichts Neues. Sparzinsen, die über der Inflationsrate liegen, waren meist die Ausnahme. (Eric Frey, 5.9.2021)