Impfkampagnen-Chef Francesco Paolo Figliuolo muss die Pflicht abwenden.

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Seit Italiens Regierungschef Mario Draghi am vergangenen Donnerstag die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht angekündigt – oder vielmehr angedroht – hat, ist eines klar: General Francesco Paolo Figliuolo wird die Arbeit nicht so schnell ausgehen. Denn nun liegt es an ihm, dass das umstrittene Szenario nicht eintreffen wird: Falls es dem "Covid-Sonderkommissar", so Figliuolos offizielle Funktionsbezeichnung, gelingt, bis Mitte Oktober in Italien eine Durchimpfungsquote von über 90 Prozent zu erreichen, dann ist die Impfpflicht, Herdenimmunität sei Dank, wohl vom Tisch.

Der 60-jährige Figliuolo hat in den acht Monaten als Impfchef ganze Arbeit geleistet: Landesweit sind inzwischen 78,5 Millionen Impfdosen verabreicht worden, 71 Prozent aller über zwölfjährigen Italiener haben den Impfzyklus abgeschlossen. Auch 60 Prozent aller unter 19-Jährigen haben schon mindestens eine Impfdosis erhalten. Bis Ende September soll eine Durchimpfung der gesamten Bevölkerung von 80 Prozent erreicht sein. Die 90 Prozent für Oktober liegen also in Reichweite.

Gebirgsjäger in Afghanistan

Die Beschaffung und Verteilung von dutzenden Millionen Impfdosen hat viel mit Logistik zu tun. Und in der Tat war der Süditaliener Figliuolo, der mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen in Turin lebt, bis zu seiner Ernennung durch Draghi Logistik-Kommandant der Streitkräfte. Der Gebirgsjäger hatte auch die ISAF-Truppen der Nato im Kosovo und das italienische Kontingent der internationalen Truppen in Afghanistan kommandiert. Als Covid-Sonderkommissar hat er, im übertragenen Sinn, das Sturmgewehr der Gebirgsjäger gegen die Impfspritze eingetauscht.

Figliuolo unterstreicht die Militarisierung der Impfkampagne, indem er nur in Uniform auftritt: mal im grauen Dienstanzug mit Dutzenden von Orden an der Brust, mal im Kampfanzug in Tarnfarben. Den meisten Italienerinnen und Italienern gefällt das, aber nicht allen: Die sardische Schriftstellerin Michela Murgia erklärte, dass sie der Covid-Sonderkommissar erschrecke. Figliuolo erwiderte, dass er eigentlich gehofft habe, dass die Uniform beruhigend wirke. Für ihn, sagte er, bedeute sie einfach "vierzig Jahre Dienst am Vaterland, Leidenschaft und Stolz". Figliuolo ist Soldat durch und durch – und Demokrat: Als er beim Besuch eines Impfzentrums in Turin von einer Gruppe militanter Impfgegner beschimpft wurde, erklärte er gelassen, dass der Protest schon in Ordnung sei: "Wir leben in einem freien Land." (Dominik Straub aus Rom, 5.9.2021)