Die derzeitige Direktorin Danielle Spera wird kritisiert.

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Geht es um die Zukunft des Jüdischen Museums Wien (JMW), dann fällt dieser Montag durchaus in die Kategorie Großkampftag. Bis Anfang Juli waren 20 Bewerbungen aus dem In- und Ausland für die neu ausgeschriebene Geschäftsführung des Hauses eingetroffen. Im Auftrag der Wien Holding (SPÖ) traf Personalberater Deloitte eine Vorauswahl.

Nun stehen am 6. September die Hearings der fünf Finalisten auf dem Programm: darunter Danielle Spera, seit 2010 Direktorin, deren Vertrag vergangenes Jahr ohne Ausschreibung bis Juli 2022 verlängert worden war. Mit ihrer Kandidatur peilt die 64-Jährige eine vierte Amtsperiode an.

Kurt Gollowitzer, Geschäftsführer der Wien Holding, hofft auf einen raschen Beschluss der Findungskommission, der auch Vertreter der Kulturabteilung der Stadt Wien und der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) angehören. Die Entscheidung könnte schon diese Woche fallen, spätestens Ende September, so Gollowitzer.

Spannungen sind bekannt

Gemessen an der Entwicklung des Hauses, der Steigerung der Besucherzahlen an den Standorten Palais Eskeles (Dorotheergasse) und Judenplatz sowie der damit teils verbundenen Vervielfachung der Eintrittsgelder, hat Danielle Spera eine tadellose Bilanz vorzuweisen. Und doch dürfte ihre Verlängerung nicht gesichert sein. Inwieweit ihre atmosphärisch wachsende Nähe zur ÖVP dabei tatsächlich eine Rolle spielt, sei dahingestellt.

Spera ist mit dem ÖVP-Nationalratsabgeordneten Martin Engelberg verheiratet: Die Spannungen zwischen der IKG-Führung unter Präsident Oskar Deutsch sowie dessen Vorgänger Ariel Muzicant und dem Ehepaar sind bekannt und womöglich nicht förderlich.

Wie berichtet, geht es aber natürlich auch um inhaltliche Fragen. Demnach monieren Fachkreise das Fehlen wissenschaftlich relevanter Forschungsprojekte oder eine Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen. Reduziert auf einen rein touristischen Besichtigungsort, so der auch an die Wiener Stadtregierung adressierte Tenor, schlüge sich das JMW aus lokaler sowie aus internationaler Perspektive derzeit eher unter Wert.

Demgegenüber steht eine breite Zustimmung für Speras Wirken, wie sie mehrfach in Interviews betonte und Medienberichten der letzten Wochen zu entnehmen war. Die Entscheidungsträger, darunter Mitglieder des JMW-Aufsichtsrates, enthielten sich jedweden Kommentars: beredtes Schweigen, das durchaus für einen Generationenwechsel an der Spitze des Hauses sprechen könnte, so das Konzept und die Visionen der Bewerberin oder des Bewerbers überzeugen.

Veritables Politikum

Hinter den Kulissen wird dagegen eifrig um Unterstützer geworben, die sich für einen Verbleib Danielle Speras als Direktorin des Museums aussprechen sollen. Zu diesen Befürwortern gehört etwa Ex-Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, wie ihr Sprecher auf Anfrage bestätigt. Wer diese teils prominent besetzte, jedoch bislang unveröffentlichte Liste initiierte, war nicht in Erfahrung zu bringen.

Gesichert ist, dass manch einer bereits wieder gekniffen hat und seinen Namen wieder entfernen ließ. Das Ganze sei ein veritables Politikum, bei dem man vermeiden müsse, selbst unter die Räder zu kommen, wie es ein Betroffener im STANDARD-Gespräch formulierte, der vorsorglich auch gleich um Anonymität ersuchte. (Olga Kronsteiner, 6.9.2021)