Es ist immer wieder schön zu sehen, wie Theoretiker über die Wirtschaft sinnieren. Besonders am Parkett der Politik tummeln sich zahllose Personen, die außerhalb des politischen Betriebes noch nie die Luft der freien Wildbahn geschnuppert haben. Solche zeichnen sich oft durch besonders gute Ideen für die Lebenspraxis der Menschen am freien Arbeitsmarkt aus. Ein aktuelles Beispiel sind die Vorstellungen des neuen Arbeitsministers Martin Kocher.

Während dieser über Reformen in freier Assoziation mit seinem eher konservativen Weltbild sinniert, braucht es einen Quantensprung in den staatlichen Institutionen und bei den Modellen der Arbeit der Zukunft. Bevor man beim Arbeitssuchenden ansetzt, sollte man vielleicht vorher die für die Betreuung zuständigen Institutionen reformieren und optimieren. Jeder, der einmal das Schicksal der Arbeitslosigkeit erleiden musste, hat hier seine Fallbeispiele aus dem echten Leben zu erzählen und die Vertreter der Privatwirtschaft haben ebenso ihre Bonmots zu berichten.

Eines zeichnet Kocher sowie seinen Chef, Sebastian Kurz, besonders aus. Beide haben nie wirklich in der Privatwirtschaft ohne doppelten Boden, und hier reden wir nicht von Praktikantenjobs im Einflussbereich der eigenen konservativen Wertegemeinschaft, gearbeitet. Auch als Direktor des renommierten IHS kann man sich nicht ernsthaft den Hacklern am prekären Arbeitsmarkt nahe stehend sehen. Umso obskurer, dass von ebenjenen die Forderung nach Leistung wie ein Banner vor sich her getragen wird.

Arbeitsminister Kocher will das Arbeitslosengeld nachjustieren.
Foto: imago images/SEPA.Media/Martin Juen

Leistung, Leistung, Leistung

In vielen Sektoren wächst ein Archetypus des institutionalisierten Systemstrebers heran, der einen frappant an die grauen Herren, nämlich glatzköpfige Agenten der "Zeitsparkasse" aus dem Klassiker "Momo" von Michael Ende, erinnert. Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig. Kocher ist zweifelsfrei ein bemühter und zielstrebiger Mensch, der nach seinen Visionen etwas zum Besseren in Österreich verändern will. Ihm sind keine schlechten Intentionen zu unterstellen. Vielleicht sollte er sich aber einmal in "wallraffscher" Manier inkognito arbeitslos melden und seine Erfahrungen machen, welche Jobs ihm zu seiner Qualifikation passend angeboten werden. Hier würde er möglicherweise einen wahren Weltkonzern, der uns täglich mit Büchern und anderen Artikeln der Konsumkultur versorgt, kennen lernen. Ob sein Weltbild dann immer noch dasselbe ist? Einen Versuch wäre es auf jeden Fall wert.

Bedingungsloses Grundeinkommen

Wir stehen vor enormen Veränderungen am Arbeitsmarkt, im Bildungs- sowie im Gesundheitssystem. Diesen sollten wir Rechnung tragen und nicht auf den schwächsten Gliedern unserer Gesellschaft herumdoktern. Während wenige Menschen immer reicher werden, haben auf der anderen Seite bestimmte Gruppen keine wirkliche Chance auf eine sozioökonomische Verbesserung. Wer nicht in ein Netzwerk eingebettet ist, kann oft nur schwer den Aufstieg in ein besseres Leben für sich und seine Familie schaffen. Der, der das nötige Kleingeld besitzt, gibt seine Sprösslinge in Privatschulen. Übrigens ein Phänomen, welches wir auch in Familien der gehobenen Funktionärsschicht der Sozialdemokratie beobachten können. Frei nach dem Motto "Alle Menschen sind gleich", aber meine Nachkommen sollten doch etwas gleicher sein. Die Zwei-Klassen-Gesellschaft lässt grüßen. Das oft kontrovers diskutierte bedingungslose Grundeinkommen wäre ein Ansatz den psychosozioökonomischen Druck von den Bürgern zu nehmen. Natürlich - und hier wäre Kocher als Innovator - gefragt unter gleichzeitigen Einsparungen in bestehenden institutionellen Strukturen. Damit wären die Betroffenen in gewisser Weise von der Abhängigkeit vom Staat befreit. Eine doch wirklich neoliberale Idee oder? (Daniel Witzeling, 7.9.2021)

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