Der autonom fahrende VW Bully: Mit dem einstigen Hippietraum hat das nicht mehr viel zu tun.

Foto: Volkswagen

Vor dem Start des vollelektrischen VW-Busses ID.Buzz im kommenden Jahr hat Volkswagen zur Automesse IAA eine autonom fahrende Prototypversion des Fahrzeugs fertiggestellt. Zunächst wird die Technologie mit fünf solchen Fahrzeugen getestet, ehe ab 2025 dann ein Serienbetrieb möglich sein soll. Dies kündigte Europas größter Autokonzern am Sonntagabend in München an.

VW-Busse als Robotertaxis

Selbstfahrende Bullis sollen zum Beispiel bei Robotertaxidiensten eingesetzt werden. VW und sein US-Partner Argo AI erproben die Technologie nun in München, vor allem auf Fahrten zum Flughafen. Auch der Shuttleservice Moia – derzeit besonders auf Hamburg ausgerichtet – soll künftig in das Modell einbezogen werden.

Auch Volkswagen-Chef Herbert Diess hat sich im Vorfeld der IAA dazu geäußert, dass er viel Potenzial in der Nutzung von Robotertaxis sehe. Mittelfristig sollen auch private Kunden und Logistiker die Technik nutzen können.

Ein fortlaufendes Projekt

Die Wolfsburger hoffen bei der weiteren Entwicklung des autonomen Fahrens auf die Erschließung eines globalen Multimilliardenmarktes. Dabei werde die Verbesserung der Software jedoch nie abgeschlossen sein, erklärte Argo-AI-Chef Bryan Salesky: "Es wird nie ganz fertig sein." Aufgaben wie dynamisches Lernen von Bordsteuerungen und das Voraussehen zahlreicher Fahrsituationen seien "unglaublich komplex".

VW-Chef Herbert Diess sieht autonome Autos als den echten "Gamechanger".
Foto: imago images/Jan Huebner

Ein Kernziel werde darin bestehen, Unfälle zu verringern und sie idealerweise komplett zu verhindern. Die Erforschung und Verbesserung entsprechender Algorithmen betreiben VW und Argo bereits seit einiger Zeit, auch über die gemeinsame Kooperation mit dem US-Autobauer Ford.

Greenpeace protestiert

Die Verringerung fossiler CO2-Emissionen war ebenfalls Thema in München. Vor der Veranstaltungshalle protestierten Aktivisten von Greenpeace – ihrer Ansicht nach tut der VW-Konzern trotz Hochlaufs der E-Mobilität und Milliardeninvestitionen hier nach wie vor zu wenig. Die Verkehrsexpertin der Umweltorganisation, Marion Tiemann, übergab Vorstandschef Herbert Diess die Klageschrift zum Verfahren, das Greenpeace zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in der vergangenen Woche angekündigt hatte. Gefordert wird unter anderem, dass etwa VW spätestens 2030 gar keine Verbrenner mehr verkauft.

"Der Dekarbonisierungspfad von VW ist nicht mit dem Ziel kompatibel, dass die globale Temperatur durch den Treibhauseffekt um höchstens 1,5 Grad steigen darf", meinte Tiemann. Wenn behauptet werde, wegen unterschiedlicher Marktbedingungen in einzelnen Weltregionen kein einheitliches Datum für einen Verbrennerausstieg nennen zu können, reiche dies im Sinne konsequenten Klimaschutzes nicht aus: "Es bleibt profitorientiert. Man will was verändern, aber ja nicht zu schnell."

Das Heck des elektrischen ID.5, zu sehen auf der aktuellen IAA.
Foto: AFP/CHRISTOF STACHE

Tiemann sprach mit Diess kurz über den Stand der Klimapolitik in verschiedenen Ländern. Der VW-Chef betonte, man tue schon viel – der Umstieg zu Öko-Energien sei nicht nur eine Aufgabe der Autoindustrie. Laut Vorschlägen der EU-Kommission soll der Verkauf von neuen Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 verboten werden. Diess möchte VW bis zum Jahr 2025 zum größten Hersteller von E-Autos machen – und somit Tesla überholen.

Smarte Autos statt E-Autos ...

Jedoch fand Diess am Sonntag auch klare Worte, dass er nicht Elektroautos, sondern smarte Autos als die wahren "Gamechanger" der Branche sehe. "Autonomes Fahren wird unsere Branche so stark verändern wie nichts zuvor", wird Diess in einem Bericht der Agentur Reuters zitiert. Der angestrebte Wechsel von Verbrennungsmotoren auf E-Autos sei vergleichsweise einfach.

Volkswagen erwartet, dass die Umsätze der Branche mit Software im Jahr 2030 bei 1,2 Billionen Euro liegen werden – was rund einem Viertel des globalen Mobilitätsmarktes entspricht. Dementsprechend soll auch bei VW bis 2030 85 Prozent des Umsatzes nach wie vor mit dem Verkauf von Autos gemacht werden, 15 Prozent sollen sich aus neuen Konzepten mit Shuttles und Mobility-as-a-service zusammensetzen.

... und trotzdem brummt das Geschäft

Diese Aussagen bedeuten jedoch längst nicht, dass die E-Mobilität bei VW ein ungeliebtes Stiefkind ist – ganz im Gegenteil: Laut eigenen Angaben kann der Autobauer schon jetzt nicht mehr alle Bestellungen seiner Autos der ID-Baureihe im laufenden Jahr erfüllen.

"Wenn sie ein Fahrzeug konfigurieren, welches wir aufgrund der Teileverfügbarkeit schneller bauen können, dann könnte es in diesem Jahr noch klappen", sagte Klaus Zellmer, Vorstand Vertrieb der Marke Volkswagen, der Branchen-und Wirtschaftszeitung "Automobilwoche": "Aber wir liegen in etwa bei drei bis sechs Monaten Lieferzeit für die Modelle der ID-Familie." Dabei handelt es sich jedoch nicht allein um ein nachfrageseitiges Dilemma: Unter anderem führten Produktionsausfälle wegen des Halbleitermangels oft dazu, dass sich Lieferzeiten verlängerten.

ID.Life: Das neue Mitglied der Elektrofamilie

Ergänzt wird das Elektroportfolio durch den am Sonntag vorgestellten elektrischen Kleinstwagen namens ID.Life. Mit dem rein batteriegetriebenen Fahrzeug in der Größe eines VW Polo wollen die Wolfsburger jüngere Käufer ködern, planen damit aber auch den Einstieg in eine erschwingliche Massenelektromobilität.

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Der ID.Life ergänzt VWs Elektrofamilie.
Foto: Reuters/WOLFGANG RATTAY

Das E-Auto soll 2025 auf den Markt kommen und um die 20.000 Euro kosten. Von der Seat-Tochter Cupra und von Škoda soll es je eine Version des kleinen Stromers geben. VW erwägt außerdem, ein noch kleineres E-Auto unterhalb des ID.Life auf den Markt zu bringen. Details wurden noch nicht genannt.

Damit fächert Volkswagen seine ID-Familie weiter auf. Bisher sind der kompakte ID.3 und der Elektro-SUV ID.4 auf dem Markt. Demnächst folgt der ID.5, eine Mischung aus Stadtgeländewagen und Limousine. Der vollelektrische ID.Buzz soll von 2022 an in Hannover vom Band rollen. 2023 folgt nach bisherigen Plänen der größere ID.6 (Aero B), der als Kombi und Limousine mit einer Reichweite von bis zu 700 Kilometern geplant ist. (APA/Reuters/red, 6.9.2021)