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Jüngere sind tendenziell zufriedener mit ihren Beziehungen – unabhängig von der Beziehungsdauer.

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Beziehungen sind kompliziert – und die Pandemie macht sie oft noch komplizierter. Die einen sind während der Lockdowns wochenlang aufeinandergehockt, die anderen haben einander kaum noch gesehen. Jeder und jede ist irgendwie unsicher, angespannt, gereizt. Das spürt auch der Partner oder die Partnerin. Aber wovon hängt es nun ab, ob eine Partnerschaft die schwierige Zeiten gut übersteht? Was macht sie krisenfest?

Mit dieser Frage beschäftigten sich Forscherinnen und Forscher rund um Stephanie Eder von der Universität Wien. Während der ersten Lockdowns befragten sie mittels Fragebogen 313 Menschen in Österreich, Spanien, Polen und Tschechien. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben Auskunft zu ihrer Beziehung, ihrem Charakter und der Frage, wie sehr sie die Pandemie persönlich getroffen hat. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Frontiers in Psychology" veröffentlicht.

Sie zeigen: Äußere Faktoren, also wie stark jemand von der Krise getroffen wurde, wirken sich offenbar nicht auf die Qualität einer Partnerschaft aus. Viel wichtiger sind psychologische Aspekte – allen voran ein sogenannter "sicherer Bindungsstil". Sicher gebundene Menschen, wie sie in der Fachsprache genannt werden, führten trotz Pandemie weiterhin eine gute Beziehung, so Psychologin Eder. "Man kann sagen: Für diese Paare war es, als wäre gar kein Lockdown."

Tief sitzende Muster

Was genau einen sicheren Bindungsstil ausmacht, erklärt die Wissenschafterin im Gespräch mit dem STANDARD: "Sicher gebundene Menschen vertrauen auf den Partner und darauf, dass er für sie da ist, wenn sie ihn brauchen. Sie sind auch eher in der Lage, sich von ihrem sicheren Hafen loszulösen." Unsicher Gebundene wiederum klammern, haben Angst, verlassen zu werden, oder Probleme, sich überhaupt auf jemanden einzulassen. Sie werden auch leichter von schwierigen Situationen, wie ja auch die Pandemie eine ist, aus der Bahn geworfen. Die Beziehungen dieser Menschen litten unter dem Lockdown – auch das viele Zusammensein mit dem Partner und die vermeintliche Kontrolle über ihn änderten daran nichts.

Die Grundlagen für den Bindungsstil legen die Eltern. Grundsätzlich kämen alle Menschen sicher gebunden auf die Welt, erklärt die Psychotherapeutin Diane Poole Heller in der "Süddeutschen Zeitung". Wenn in der frühen Kindheit aber etwas nicht so gut läuft, wenn Eltern die Bedürfnisse eine Säuglings nicht befriedigen, nicht einfühlsam genug, nicht präsent genug sind, etwa weil sie selbst psychische Probleme haben, dann könnten Bindungsstörungen entstehen. Die bleiben bis ins Erwachsenenleben – und wirken sich auf die Liebesbeziehung aus.

"Ein unsicherer Bindungsstil in der Kindheit beeinflusst auch spätere Beziehungen bis zu einem gewissen Grad", sagt auch Psychologin Eder. Eine plötzliche Änderung sei also nicht möglich, "denn das sind ja tiefsitzende innere Muster", aber gewisse Beziehungsmuster könnten durchaus therapeutisch aufgearbeitet und verändert werden. Für Psychotherapeutin Heller ist ein unsicher gebundener Partner deshalb "keinesfalls ein Ausschlusskriterium". Denn es sei nicht gesagt, "dass er kein toller Partner sein kann". Es gehe vielmehr darum, ob er Bescheid weiß und bereit ist, daran zu arbeiten. Die Forschung zum Thema zeigt jedoch, dass sicher gebundene Menschen meist ohnehin ihresgleichen suchen.

Jüngere Paare zufriedener

Neben dem Bindungsstil konnte Psychologin Eder noch einen weiteren Faktor ausmachen, der für die Beziehungsqualität während Corona eine Rolle spielt – nämlich das Alter. "Jüngere Menschen sind tendenziell zufriedener mit ihren Beziehungen." Das könne auf einen schärferen Blick auf die negativen Seiten des Partners im Alter zurückgeführt werden. Die Dauer der Beziehung hatte wiederum keinen Einfluss.

Was ebenfalls nicht maßgeblich war, ist die Sexualität. Also: Paare, die seltener Sex hatten, waren nicht unzufriedener – überraschend auch für Eder. "Denn insgesamt ist Sexualität natürlich schon eine wichtige Komponente von romantischen Beziehungen. Aber über diesen Zeitraum spielte sie offensichtlich keine so große Rolle. Ich kann mir vorstellen, dass es den Leuten da einfach wichtiger war, einen verlässlichen Partner zu haben, mit dem sie sich wohlfühlen."

Laut Psychotherapeutin Heller können Paare auch einiges für eine sichere Bindung tun: liebevoll miteinander sprechen, einander häufig berühren, gemeinsame Rituale schaffen, denn all das schaffe Nähe. "Und wir sollten alle mehr spielen – mit dem Partner, mit den Kindern. Wir sind heutzutage so erfolgsorientiert, und es gibt so viele Dinge, für die wir hart arbeiten müssen. Spielen ist leicht, macht Spaß und schweißt zusammen." (Lisa Breit, 9.9.2021)