Maria Kolesnikowa gehörte zum Frauenpower-Trio, das bei den Protesten gegen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko in der ersten Reihe stand. Die Bilder, auf denen sie gemeinsam mit Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo die Aufbruchsstimmung im Land vermittelte, wurden zu Ikonen der Demokratiebewegung. Die Hände der Frauen formten meist eine kämpferische Faust, ein optimistisches Victory-Zeichen und ein Herz, das Gewaltlosigkeit fordert. Kolesnikowa war immer die mit dem Herz.

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Maria Kolesnikowa stand bei den Protesten gegen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko in der ersten Reihe.
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Dass sie am Montag zu elf Jahren Haft verurteilt wurde, ist für ihre vielen regimekritischen Landsleute eine weitere Hiobsbotschaft. Tichanowskaja, die bei der Wahl im August 2020 gegen Lukaschenko angetreten war, steht zwar weiter an der Spitze der Protestbewegung, hat aber im litauischen Exil begrenzten Spielraum. Auch Zepkalo hat ihr Land verlassen. Und von den Protesten nach der Wahl, die Lukaschenko mit mehr als 80 Prozent gewonnen haben will und die auch von der EU nicht als rechtmäßig anerkannt wird, ist nach brutalen Polizeieinsätzen kaum etwas übriggeblieben.

Hat Lukaschenko den Machtkampf also längst gewonnen? Auf den ersten Blick mag es so scheinen. Doch wenn der Sieg in einem Machtkampf den Erhalt von Macht bedeutet, dann hat auch Lukaschenko verloren. Noch vor zwei Jahren hatte er Signale der Öffnung gesendet, die man im Westen durchaus gerne hörte. Ein Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz in Minsk und ein Gegenbesuch in Wien gaben den formalen Rahmen, der von Wahlbetrug und Polizeiexzessen bald wieder gesprengt wurde. Nun ist Lukaschenko ganz auf Russlands Präsident Wladimir Putin angewiesen, der Belarus als seinen Hinterhof begreift. Machterhalt sieht anders aus. Lukaschenko feiert einen Pyrrhussieg, wie er im Buche steht. Harte Urteile in konstruierten Prozessen ändern daran rein gar nichts. (Gerald Schubert, 6.9.2021)