Maria Kolesnikowa am Montag vor einem Minsker Gericht.

Foto: imago / Viktor Tolochko

Was als demokratischer Aufbruch für Belarus (Weißrussland) begann, endete am Montag mit einer Haftstrafe wegen versuchter illegaler Machtergreifung: Maria Kolesnikowa, eine der zentralen Persönlichkeiten in der Protestbewegung gegen Langzeitmachthaber Alexander Lukaschenko, wurde in Minsk zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Ihr Mitangeklagter, der Anwalt Maxim Snak, erhielt zehn Jahre Haft.

Kolesnikowa hatte sich vergangenes Jahr gemeinsam mit ihren Mitstreiterinnen Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo an die Spitze der belarussischen Demokratiebewegung gesetzt. Tichanowskaja, die bei der Wahl im August 2020 gegen Lukaschenko angetreten und weltweit zur prominentesten Regimegegnerin geworden war, flüchtete unmittelbar nach der Wahl nach Litauen. Lukaschenko hatte mehr als 80 Prozent der Stimmen für sich beansprucht und sie mit massivem Druck ins Exil gedrängt, von wo aus sie seither weiter für Demokratie in ihrer Heimat eintritt. Zepkalo floh nach Polen.

Kolesnikowa aber blieb in Belarus und wurde zur wichtigen Organisatorin der Proteste gegen die Wahlfälschung sowie gegen die Polizeigewalt, mit der die Kundgebungen brutal niedergeschlagen wurden. Vor allem die professionelle Herangehensweise abseits der Massendemonstrationen in Minsk und anderen Städten dürfte den Behörden ein Dorn im Auge gewesen sein.

"Extremistischer" Rat

So gründete Kolesnikowa mit Snak und mehreren Gleichgesinnten den Koordinierungsrat für eine friedliche Machtübergabe – und schaffte damit eine auch im Ausland viel beachtete Struktur, die das Regime zusätzlich unter Druck setzte. Für die Behörden freilich war der Rat eine extremistische Vereinigung und Ausdruck einer Verschwörung gegen einen rechtmäßig gewählten Präsidenten – gewählt in einer Wahl, die aber auch von der EU nicht anerkannt wird.

Auch auf Kolesnikowa wuchs rasch der Druck, Belarus zu verlassen. Anfang September 2020 wurde sie vorübergehend entführt und sollte offenbar in die Ukraine abgeschoben werden. In der Nähe des Grenzübergangs zerriss sie allerdings ihren Pass und erzwang so ihren Verbleib im Land. Kurz darauf wurde sie offiziell festgenommen und angeklagt.

Inzwischen war Kolesnikowas Bekanntheit im Ausland freilich gewachsen. Vor allem in Deutschland verfolgte man ihr Schicksal mit Interesse: Die Musikerin hatte zuvor längere Zeit als Kulturmanagerin in Stuttgart gearbeitet. In Belarus war sie dann im Wahlkampf zunächst als Managerin für den früheren Bankier Viktor Babariko tätig, der gegen Lukaschenko antreten wollte, aber vor der Wahl inhaftiert wurde.

Bestürzung in Wien

Das Urteil gegen die 39-Jährige löste international scharfe Kritik aus. Auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und Außenminister Alexander Schallenberg zeigten sich in einer ersten Reaktion bestürzt. Mit Kolesnikowas Verurteilung habe "das System Lukaschenko einen weiteren Tiefpunkt in der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung gesetzt", schrieb Schallenberg in einer gemeinsamen Aussendung. Kurz erklärte: "Die tapferen Frauen und Männer im Würgegriff des belarussischen Systems, die für ihre Rechte einstehen, brauchen uns mehr denn je." Kritik kam auch aus zahlreichen anderen Ländern sowie von der EU. (Gerald Schubert, 6.9.2021)