Die Linke fordert einen höheren Mindestlohn. Diese Forderung taucht auch im Wahlprogramm der deutschen Sozialdemokraten und der Grünen auf. Hier könnte man sich wohl schnell einig werden.

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Für Dietmar Bartsch, den Spitzenkandidaten der Linkspartei, ist die Sache klar. Nach der Wahl am 26. September wird es für die Post-Angela-Merkel-Ära nur zwei Optionen geben: "Eine Regierung des sozialen Zusammenhalts oder einen Politikstau." Und ebenso klar ist für ihn: Ersteres ist nur möglich, wenn die Linke beteiligt ist.

In Umfragen sieht es nicht so gut aus, man liegt zwischen sechs und sieben Prozent – und somit ganz hinten – hinter Union, SPD, Grünen, FDP und AfD. Dennoch geht die Linke jetzt in die Offensive, sie will nach der Wahl mit den Grünen und der SPD gemeinsam regieren.

Lange Zeit schien ein solches rot-rot-grünes Bündnis – auch R2G genannt – unmöglich, wenngleich es die rechnerische Möglichkeit 2013 gegeben hätte. Doch abgesehen von inhaltlichen Differenzen war die persönliche Abneigung zwischen Sozialdemokraten und Linken zu groß. Immerhin ist ein Teil der SPD ja 2005 mit Oskar Lafontaine zur Linken abgewandert.

Wann, wenn nicht jetzt?

Doch jetzt ist die Linken-Spitze bereit und macht das auch deutlich. "Wann, wenn nicht jetzt?", fragte Co-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow an diesem Wochenende in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS). Da das Fenster für eine linke Regierungsbeteiligung so weit geöffnet sei, bereite man sich "zum ersten Mal in der Geschichte der Partei" konkret auf eine rot-rot-grüne Koalition vor. Am Montag legten Bartsch und Wissler dann nach. Während das Außenministerium Russland mit deutlichen Worten aufforderte, ihre Einmischung in den Wahlkampf mittels Cyberattacken zu beenden, präsentierte die Linke ein "Sofortprogramm", das sie in der Regierung umsetzen wollen.

"Es gibt in diesem Land eine Mehrheit, die Ungleichheit und Armut nicht länger hinnehmen will", heißt es darin. Und weiter: "Viele Menschen sprechen sich für Mehrheiten ohne Union und FDP aus."

Die Linke schlägt als erste Maßnahmen die Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 9,60 Euro auf 13 Euro pro Stunde vor. Zum Vergleich: Die SPD und die Grünen schlagen zwölf Euro vor.

Nato-Thema ausgespart

Unüberbrückbar ist dieser Punkt also nicht – und das gilt auch für Weiteres, was die Linken anführen. Sie wollen die Einkommensteuer für kleinere und mittlere Einkommen entlasten, eine Mindestrente von 1200 Euro pro Monat sowie eine Senkung der Strompreise.

Zudem sollen Reiche und Sehr-gut-Verdiener belastet werden, dies schwebt auch Grünen und SPD vor. Ein weiterer zentraler Punkt ist die Einführung eines deutschlandweiten Mietpreisdeckels.

Einen solchen hatte ja das Land Berlin, wo Rot-Rot-Grün regiert, ersonnen, um Mieten einzufrieren. Allerdings ist das Vorhaben spektakulär vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Dieses stellte fest, Berlin habe seine Kompetenzen überschritten, ein solcher Deckel würde in die Gesetzgebung des Bundes fallen.

Interessant ist jedoch, was im Sofortprogramm nicht vorkommt: die Nato. Grüne und SPD bekennen sich ja zur Mitgliedschaft Deutschlands, hier gibt es kein Wanken.

In der Kirche bekennen

Doch die Linke strebt ein Sicherheitsbündnis an, an dem auch Russland beteiligt ist, an. Dieses soll die Nato ersetzen. Dies gilt als der zentrale Streitpunkt bei möglichen rot-rot-grünen Verhandlungen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz wollte zuletzt ein Bündnis mit der Linken nicht dezidiert ausschließen, sagte aber im "Tagesspiegel", wer mit der SPD koaliere, müsse sich "klar bekennen zur Zusammenarbeit mit den USA, zur transatlantischen Partnerschaft und dazu, dass wir die Nato für unsere Verteidigung und unsere Sicherheit brauchen".

Diesen Schwur aber will die Linke nicht leisten. "Bekenntnisse legt man in der Kirche ab. Das soll auch so bleiben", sagt Bartsch. Hennig-Wellsow setzt bei einer möglichen Koalition mehr auf die Basis und deren Druck auf die Parteiführung von SPD und Linken. Sie sei sich nicht sicher, ob Scholz und die Grüne Annalena Baerbock wirklich mit der Linken regieren würden. Jedoch: "Ich weiß aber bei beiden, dass der Laden dahinter schon will." (Birgit Baumann aus Berlin, 6.9.2021)