Für Geimpfte ist die Pandemie vorbei – auf dieser im Frühsommer geäußerten Einschätzung beharrte Kurz auch im Interview mit Lou Lorenz-Dittlbacher. Ungeimpften aber könnten scharfe Beschränkungen drohen.

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Wenn man Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz Ankündigungspolitik unterstellt, liegt man selten falsch. Andererseits muss man eingestehen, dass er in diesem Fach sehr versiert ist – am Montagabend hat er ein Musterbeispiel für Ankündigungen ohne allzu viel Konkretisierung abgeliefert.

Zwei Stunden bevor er als letzter Parteichef zu Lou Lorenz-Dittlbacher zu einem ORF-Sommergespräch ins Wiener Museumsquartier kam, ließ er wissen, was er anzukündigen gedachte – und alle Onlinemedien verbreiteten seine Botschaft von den neuen Richtlinien, die bei der Corona-Bekämpfung gelten sollen. Dazu wolle er also gefragt werden, dazu werde er Antworten geben.

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Die Moderatorin, die an den vier vergangenen Montagen kaum Neuigkeiten aus den anderen Parteichefs herauszukitzeln vermochte, kam also in die wenig komfortable Situation, zum Stichwortgeber ihres Interviewpartners zu werden. Sie ging damit professionell um – und verfolgte ihr eigenes Konzept.

"Jung, smart, intelligent"

Also: erst einmal ein Porträt, in dem unter anderen Kurz' Geschichtslehrer Martin Neubauer den ehemaligen Schüler als "jung, smart, intelligent" loben konnte. Danach konnte Kurz demütig sagen, er sei dankbar für alles, was er lernen durfte – und dafür, dass er früh Verantwortung übernehmen durfte. Aber das hätten auch andere im Alter von 25 Jahren machen müssen, insofern sei das nichts Besonderes.

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Sehr kontrolliert wirkte Kurz auch auf die Frage, was ihn politisiert habe. Es würde vielleicht gut ankommen, wenn er jetzt sagte, dass es ein konkretes Erlebnis gegeben habe – aber das habe es nicht gegeben, er sei einfach ins politische Leben hineingewachsen. Ehrenamtlich – und nicht wie etwa der Sozialdemokrat Alfred Gusenbauer, von dem die Legende geht, er habe schon in der Sandkiste Bundeskanzler werden wollen.

Dann aber wurde es doch konkret: Lorenz-Dittlbacher fragte zu den Folgen der Pandemie, und Kurz bekam die Gelegenheit zu sagen, dass er nicht die Meinung teile, dass heute alles anders sei als vorher.

Er habe den Eindruck, dass viele alles derzeit schlimm fänden – er aber bestehe darauf, dass die Pandemie im Wesentlichen vorbei und das Leben wieder normal sei.

Pandemie für viele vorbei

Lorenz-Dittlbacher versuchte es mit einer Nachfrage, ob Kurz nicht im Frühsommer zu früh Entwarnung gegeben habe – was dieser wiederum als aufgelegten Ball verstand und darauf beharrte, dass die Pandemie für jene vorbei sei, die geimpft sind.

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Lorenz-Dittlbacher will nachfragen, aber Kurz antwortet, ehe er gefragt wird. Er glaube nicht daran, dass ab einem gewissen Prozentsatz Geimpfter das Virus verschwinden werde. Er habe für sich eine klare Entscheidung getroffen, dass Schulen offen bleiben sollen – "natürlich bedeutet das, dass man sich anstecken kann". Aber bei Kindern gebe es "Gott sei Dank" nicht so viele schwere Krankheitsverläufe.

Der Kanzler wünschte sich, dass alle Politiker ehrlich mit den Fakten umgehen sollten – leider gebe es mit der FPÖ eine Partei, die viele Fehlinformationen verbreite und Menschen in Angst versetze. Er aber will nicht "auf dem hohen Ross sitzen" und auf die Ungeimpften herunterschauen – er will die Menschen überzeugen. Ohne Impfpflicht – "aber was schon ausgesprochen werden muss: Es wird keine Lockdowns mehr geben für Geimpfte. Das bedeutet aus meiner Sicht: Wenn sich Menschen nicht impfen lassen, wird es Einschränkungen geben für jene, die wir schützen müssen." Bevor man Einrichtungen ganz schließe, werde man sie nur für Ungeimpfte sperren. Aber das sei alles nicht zu 100 Prozent planbar.

Und daher auch: keine allzu konkreten Ankündigungen, nicht zu Corona, nicht zu anderen Themen. (Conrad Seidl, 6.9.2021)