Der Besitz von Kinderpornos ist nicht nur strafrechtlich relevant, sondern auch eine Eheverfehlung.

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Besonders viel Bedenkzeit darf man sich beim Fehlverhalten eines Ehegatten nicht nehmen. Eheleute müssen die Gründe für eine Scheidung aus Verschulden spätestens sechs Monate nach deren Kenntnisnahme gerichtlich geltend machen. Wer die Scheidung zu spät einreicht, kann sich nicht mehr auf die Eheverfehlung berufen.

So erging es auch einer Frau, die sich erst ein Jahr nachdem sie erfahren hatte, dass ihr Mann Kinderpornografie sammelte, bei Gericht meldete. Eine Scheidung aus Verschulden kommt laut dem Obersten Gerichtshof (OGH) aufgrund der Fristüberschreitung nicht mehr infrage. Dass die Frau ihren Gatten bereits zuvor bei der Polizei angezeigt hatte, ändert daran nichts (OGH 27.7.2021, 4 Ob 56/21w).

Verurteilung wegen Kinderpornografie

Das ältere Ehepaar – beide knapp über 70 – hatte im Jahr 1982 geheiratet. Im November 2019 reichte die Frau Scheidung aus Alleinverschulden des Mannes bei Gericht ein. Dieser pflege eine außereheliche Beziehung mit einer Jüngeren. Außerdem brachte die Frau vor, im Jahr 2018 unter dem Bett ihres Gatten eine umfassende Bildersammlung mit Fotos nackter und teilweise sehr junger Mädchen gefunden zu haben.

Tatsächlich hatte der Mann bis 2018 pornografische Darstellungen von Minderjährigen gesammelt. Seine Frau fand die Fotos Ende 2018 und wollte die Ehe ab diesem Zeitpunkt beenden. Sie sprach ihren Mann zwar nicht auf die Fotos an, erstattete aber Anzeige bei der Polizei. Nach einer Hausdurchsuchung im Dezember 2019 verurteilte ihn das Landesgericht St. Pölten wegen des Besitzes von Kinderpornos zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten.

Recht auf Scheidung erloschen

Die Scheidungsklage wegen Alleinverschuldens des Mannes reichte die Frau bereits im November 2019 ein – also noch vor der Hausdurchsuchung. Die Kinderpornos erwähnte sie erstmals in einem Schriftsatz im Jänner 2020. Das Bezirksgericht Purkersdorf wies ihr Begehren allerdings ab: Dass der Mann eine außereheliche Beziehung führte, konnte nicht bewiesen werden. Hinsichtlich der Kinderpornos sei das Recht auf Scheidung wegen Verschuldens mittlerweile erloschen. Der Scheidungsgrund hätte spätestens sechs Monate nach Kenntnisnahme davon vor Gericht geltend gemacht werden müssen.

Die Frau wusste bereits im Jahr 2018 Bescheid, reichte die Scheidung aber erst Ende 2019 ein. Dass es sich im strafrechtlichen Sinn beim Besitz von Kinderpornografie um kein einmaliges, sondern ein Dauerdelikt handelt, spielt aus Sicht des Gerichts keine Rolle. Die Klagefrist für die Scheidung sei durch die "zweifelsfreie" Kenntnisnahme der Frau von den Bildern ausgelöst worden. Dass der Mann danach weiterhin Bilder sammelte, konnte nicht bewiesen werden.

Eheverfehlungen "nicht auf Vorrat"

Das von der Frau angerufene Landesgericht St. Pölten bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Auch der Oberste Gerichtshof schloss sich dieser Rechtsmeinung an. Es liege auf der Hand, dass der Besitz von Kinderpornografie eine Eheverfehlung sei, die einen Scheidungsgrund darstelle. Dabei handle es sich aber um keine "fortgesetzte Eheverfehlung". Die Frau hätte daher spätestens sechs Monate nach Kenntnisnahme Klage einreichen müssen. Laut Höchstgericht soll ein Ehepartner Eheverfehlungen nicht "auf Vorrat" halten können, um sie "später zu einem für ihn günstigen Zeitpunkt geltend zu machen".

Da die Frau kein Verschulden des Mannes beweisen konnte, bleibt die Ehe vorerst weiter bestehen. Infrage kommt nun eine "Zerrütungsscheidung". Willigt ein Ehegatte oder eine Ehegattin nicht in die Scheidung ein, kann die andere Person erst dann erfolgreich klagen, wenn die häusliche Gemeinschaft seit drei Jahren aufgelöst und die Ehe "unheilbar zerrüttet" ist. (Jakob Pflügl, 7.9.2021)