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Jen Psaki, Leiterin des Presseteams im Weißen Haus, sagt es, wie es ist: Sie haben keine Ahnung.

Foto: Reuters / JONATHAN ERNST

Die neuen Regelungen zu Abtreibungen in Texas machen fassungslos. Dass sie nur bis zur sechsten Woche legal sind, ein Abbruch danach auch im Falle von Inzest oder Vergewaltigung verboten ist. Dass nicht die Behörden das Gesetz rechtlich geltend machen sollen, sondern Privatpersonen. Bürger*innen sind nicht nur berechtigt, zivilrechtlich gegen Frauen vorzugehen, die nach der sechsten Woche abtreiben wollen, sondern sie werden sogar dazu ermutigt. Erfolgreiche Klagen gegen ungewollt Schwangere oder Menschen, die die Frauen dabei unterstützen, einen Abbruch vorzunehmen (sie etwa zu einer Abtreibungsklinik fahren), werden mit einer Prämie von mindestens 10.000 US-Dollar belohnt. Wenn die Beklagten vor Gericht recht bekommen, gibt es keine Entschädigung.

Radikale Netze – und die anderen

Wer denkt sich so etwas aus? Nun, für christliche Fundamentalist*innen und Erzkonservative ist dieses Gesetz ein Traum. Über sie wissen wir, dass sie die absolute Kontrolle über den Körper von Frauen zurückgewinnen wollen. Sie sind es auch, die maßgeblich an Katastrophen wie jener in Texas mitarbeiten und große Netze aus radikalen Abtreibungsgegner*innen spinnen. Aber was ist mit allen anderen, die meinen, das passt schon so, man habe eh sechs Wochen Zeit, dass man Frauen da schon irgendwie regulieren müsse? Die meinen, dass selbst ein "normal" Gläubiger logischerweise auf Linie mit einem derart brutalen Gesetz sein müsste. Ein Gläubiger wie Joe Biden. Was ist mit denen los?

Biden verweist nämlich darauf, dass das Gesetz verfassungswidrig ist und die Entscheidung über einen Abbruch bei den Frauen läge, wie seine Sprecherin Jen Psaki einem Journalisten erklärt. Dieser fragt aber noch einmal nach: Wie lasse sich Bidens katholischer Glaube mit seiner Unterstützung des Rechts auf Abtreibung vereinbaren?

Jen Psaki, seit Jänner Leiterin des ersten durchwegs weiblichen Presseteams im Weißen Haus, tut dann etwas, was vor allem für Frauen in beruflichen Zusammenhängen als absolutes No-Go gilt: Sie wird persönlich.

Es war ein guter Move von Psaki. Nein, wir reden jetzt nicht darüber, ob ein gläubiger Mensch jede frauenverachtende Idee mittragen muss, inwiefern man als Katholik oder als Katholikin glaubwürdiger sei, wenn man im 21. Jahrhundert angekommen sei. Nein. "Sie standen nie vor dieser Entscheidung, Sie waren nie schwanger. Aber für Frauen da draußen ist es eine unglaublich schwierige Sache." Jen Psaki sagt zu dem Journalisten sinngemäß nichts anderes als "Sie haben keine Ahnung". Doch genau die denken sich solche Gesetze aus, ohne Ahnung, ohne einen Funken Empathie. Die nie eine unregelmäßige Periode hatten, die schon mal deutlich später kam und deswegen der Gedanke an eine Schwangerschaft nicht fern lag, nie die körperliche Erfahrung einer Schwangerschaft machten und deshalb nicht annähernd verstehen können, wie es sich anfühlen muss, zu einer solchen gezwungen zu werden.

Eine kurze Pause

Ja, auch Frauen können radikale Abtreibungsgegnerinnen sein, aber dennoch waren es Männer, die in der Vergangenheit die Gesetze gemacht und unser aller Denken von Recht und (Geschlechter-)Ordnung geformt haben. Und besonders leidenschaftlich auch zu allem, was mit dem weiblichen Körper zu tun hat. Es ist immer wieder aufs Neue erschütternd, dass diese Ahnungslosigkeit in moralischer und religiöser Verpackung Frauen bis heute terrorisiert. Angesichts dessen fühlt sich die klare Ansage einer Pressesprecherin zumindest nach einer erholsamen Pause an. (Beate Hausbichler, 8.9.2021)