Die afghanische Botschafterin in Österreich glaubt nicht, dass das Regime der Taliban lange halten wird.

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Wien/Kabul – Die afghanische Botschafterin in Wien, Manizha Bakhtari, ruft die Regierungen weltweit auf, ein Taliban-Regime in Afghanistan nicht anzuerkennen. "Das sind Terroristen. Wie können sie als Terroristen eine legitime Regierung bilden?", betonte Bakhtari in einem Interview mit der "Kronen Zeitung" vom Dienstag. Die Botschafterin sprach sich auch dagegen aus, in Österreich straffällig gewordene Asylwerber nach Afghanistan abzuschieben: "Man würde auf alle Fälle ihr Leben riskieren."

Manizha Bakhtari findet gegenüber den Taliban deutliche Worte. Mit diesen habe sie nichts gemein, sagt die Botschafterin. Sie könne nicht zurück nach Afghanistan. Aber sie könne als Botschafterin auch nicht abgesetzt werden, solange Österreich die Taliban nicht als Regierung anerkennt.
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Enttäuscht von Österreichs Regierung

Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid hatte vor einer Woche gegenüber der "Kronen Zeitung" die Rücknahme nicht asylberechtigter und möglicherweise straffälliger Afghanen aus Österreich und Deutschland zugesichert und erklärt, sie würden in Afghanistan vor Gericht gestellt. Botschafterin Bakhtari erklärte dazu: "Die Taliban nutzen einen offenen Gerichtshof, da geht es wild zu." Man würde "auf alle Fälle" das Leben der Abgeschobenen riskieren.

Zur Ankündigung von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Österreich werde keine Afghanen mehr aufnehmen, meinte Bakhtari, Kurz habe "jedes Recht zu entscheiden, was für das Land am besten ist". Es gebe aber die Menschenrechtskonvention, die besage: "Wenn jemand Hilfe oder eine sichere Zukunft braucht, hat er auch das Recht dazu. Egal ob Österreicher, Syrer oder Afghane."

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist gegen die Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen in Österreich.
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Enttäuscht zeigte sich Bakhtari von der Reaktion der österreichischen Regierung auf ihren vor einem Monat geäußerten Wunsch nach einem verlängerten Abschiebestopp für abgewiesene afghanische Asylwerber. Die Botschafterin war daraufhin ins Außenministerium bestellt worden. "Der Außenminister (Alexander Schallenberg, ÖVP, Anm.) hat mit seinem pakistanischen Amtskollegen (Shah Mehmood Quereshi, Anm.) über die Situation geredet, aber nicht mit uns", sagte Bakhtari im Interview.

Kritik an Pakistan

Zu den Meldungen, die Taliban hätten den Widerstand in der Provinz Panjshir nördlich der Hauptstadt Kabul gebrochen, sagte Bakhtari: "Wir haben anderes gehört." Die Botschafterin kritisierte in diesem Zusammenhang das Nachbarland Pakistan. Die pakistanische Luftwaffe habe die Taliban bei den Angriffen im Panjshir-Tal unterstützt. "Der pakistanische Außenminister lobbyiert für die Taliban, Pakistan war immer ein sicherer Hafen, und sie reisen mit pakistanischen Pässen", so Bakhtari.

"Enttäuscht und angewidert" zeigte sich die Botschafterin vom afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani: "Er hat in seinen Reden angekündigt, er würde kämpfen. Und am nächsten Tag floh er heimlich."

Viele Menschen versuchten in den vergangenen Wochen aus Afghanistan nach Pakistan zu gelangen, an den Grenzübergängen gab es große Menschenansammlungen. Botschafterin Bakhtari kritisiert die Rolle des Nachbarlandes im Zusammenhang mit der Machtergreifung der Taliban.
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Hoffen auf Jugend

Wenig Glauben schenkte Bakhtari den Erklärungen der Taliban, sie hätten sich im Vergleich zu ihrer Regierungszeit von 1996 bis 2001 in Afghanistan geändert. "Sie kündigen immer nur an, etwas zu ändern", so die Botschafterin. "Sie sagen, sie wollen mit den Menschen in Panjshir eine friedliche Lösung, und töten dann dort wehrlose Zivilisten." Einem neuerlichen Taliban-Regime in Afghanistan räumte Bakhtari jedoch keine lange Lebensdauer ein: "Wenn uns die Geschichte Afghanistans eines gelehrt hat, dann, dass sich kein Regime lange halten konnte."

Das Panjshir-Tal liegt im Nordosten der Hauptstadt Kabul.

Ihre Hoffnung setzt die Botschafterin in die afghanische Jugend. "75 Prozent unserer Bevölkerung sind jung, zwischen 15 und 35 Jahre alt. Diese Generationen sind die Kinder der Demokratie, sie haben von der Demokratie und der Meinungsfreiheit profitiert. Sie waren zwar arm, kennen aber die Freuden der freien Gesellschaft."

Zu ihrer eigenen Zukunft erklärte die Botschafterin: "Ich habe mit den Taliban nichts gemein. Aber ich kann nicht zurück. Und die Taliban können mich nicht absetzen. Dafür müsste Österreich das Regime offiziell anerkennen." (APA, 7.9.2021)