Alan Spearhawk und Mimi Parker im legeren Lockdown-Outfit.

Foto: Nathan Keay

Eine der schönsten Versionen des Weihnachtslieds Stille Nacht liegt seit 1999 von Alan Spearhawk und Mimi Parker vor. Mit wechselnden Bassisten schaffen die Eheleute und gottesfürchtigen Mormonen unter dem Namen Low seit drei Jahrzehnten Musik, die sich selbstverständlich auch der eigenen Erbauung sowie möglicherweise jener der eigenen Glaubensgemeinde verpflichtet sieht. Hier bildet nun das neue Album Hey What (Sub Pop), eventuell eine christlich-kämpferische Auslegung von Lenins Was tun?, keine Ausnahme.

Allerdings gelang es Low über Alben wie Things We Lost in the Fire oder The Great Destroyer bis herauf zu Double Negative von 2018, auch ein zügelloseres Publikum anzusprechen. Wer nicht dem Weg des Religionsgründers und glücklosen Weltuntergangspropheten John Smith folgen und sittlich gefestigt ohne Alkohol, Drogen und in keuscher Ehe leben will und den Glauben mit flammendem Schwert und Blut zu verteidigen bereit ist, kann bei Low hinhören, ohne sich gleich indoktriniert zu fühlen.

Low

Das neue Album Hey What bietet neben den kraftvoll, aber in maßvollem Tempo gehaltenen, teils hymnischen, teils grüblerischen Chorälen und Kirchenliedern durchaus Neues. Ausgehend vom schaumgebremsten und gut abgehangenen Gitarrenrock eines Neil Young hat man sich über die Jahre zunehmend radikalisiert. Die Elektronik hat Einzug gehalten, und der sanfte Duogesang wird mitunter ziemlich brutal mit im Computer geschredderten Instrumenten konterkariert. Beim Hören tut man sich manchmal schwer zu unterscheiden, ob der himmlische Krach nun gerade von Gitarre, Bass, Schlagzeug oder einem Verbindungsfehler der Soundkarte herrührt.

Textlich bewegen sich Alan Spearhawk und Mimi Parker noch immer in vertrauten Bildwelten aus der Bibel, siehe etwa im Song White Horses die gleichnamigen Pferde aus der blutrünstigen Offenbarung des Johannes. Allerdings vertraut man bei Low mittlerweile doch eher dem Raunerischen und der Andeutung als der Verkündigung des Wortes mit Flammenschwert und Blut.

Low

Trotz all der heftigen Lärmpassagen und der im Hintergrund in Loops wütenden Distortiongitarre, die die Andacht vorn angenehm zu stören weiß, hat man es bei Low immer noch mit einer Form von dem Heiligen und Erhabenen nachspürender Musik zu tun. Die dazugehörige Mormonenkirche nennt sich aus gutem Grund jene "der letzten Tage". Hey What ist ein beeindruckendes Stück Musik geworden. Man sollte aber nicht davon ausgehen, dass es sich hier um das handelsübliche harmlose Indierock-Lalelu handelt. (Christian Schachinger, 8.9.2021)