Elektroschrott enthält unter anderem Seltene Erden. Ein österreichisch-tschechisches Forschungsteam arbeitet daran, diese durch E. coli, Cyanobakterien und Co zu recyceln.
Foto: Heribert Corn

Seltene Erden sind eine Gruppe von 17 Metallen, die – gar nicht so selten – in zahlreichen elektronischen Geräten vom Smartphone bis zur Kaffeemaschine verbaut sind. Ihr Bedarf steigt rasant, bekannte Vertreter sind Lanthan, Cer, Neodym oder Yttrium. Zwischen 90 und 95 Prozent der weltweiten Produktion kommt aus China, was eine gewisse politische Brisanz beinhaltet.

Um mit den verfügbaren Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen, ist Recycling notwendig. Dies ist bei Seltenen Erden aus Elektroschrott auch grundsätzlich möglich und wird in bescheidenem Ausmaß bereits durchgeführt. Es ist allerdings meist teurer als der Abbau der Metalle selbst und zudem mit dem Einsatz giftiger Chemikalien verbunden. Umweltfreundliche Alternativen wären deshalb höchst willkommen.

Überarbeitete Speisekarte

Einen auf den ersten Blick kuriosen Ansatz dafür verfolgen Wissenschafter in dem europäischen Projekt REEgain, das noch bis Ende Juni 2022 im Rahmen der Programmschiene Interreg Va AT-CZ als österreichisch-tschechische Kooperation läuft. Sie versuchen nämlich, ein biologisches Phänomen zu nutzen: Mikroorganismen wie Bakterien, Algen oder Pilze können unter bestimmten Bedingungen Seltene Erden in ihre Zellen aufnehmen und fermentieren.

Der genaue biochemische Mechanismus dahinter ist noch nicht völlig geklärt. Es dürfte wohl so sein, dass sich Seltene Erden chemisch ähnlich verhalten wie Kalzium oder Magnesium, die üblicherweise auf dem Speiseplan der Mikroorganismen stehen.

Das vierjährige Projekt REEgain hat zum Ziel, die Umsetzbarkeit des Verfahrens zu demonstrieren. Die Projektleitung liegt bei der IMC-Fachhochschule Krems; Partnerinnen sind die Tschechische Akademie der Wissenschaften, die Donau-Universität Krems sowie die Karl-Landsteiner-Privatuniversität. Das Budget beträgt rund 1,2 Millionen Euro, wovon etwa eine Million Fördergeld des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) ist.

Kleine Mengen Salpetersäure

Mit der Machbarkeit sieht es bisher sehr gut aus: "Wir untersuchen, welche Organismen unter welchen Bedingungen welche Mengen an Seltenen Erden aufnehmen", sagt der Biotechnologe Dominik Schild. Er ist Professor am Department für Lebenswissenschaften der IMC FH Krems und leitet als Prozessingenieur und Fermentationsexperte das Projekt. "Die besten Kandidaten nehmen zirka 75 bis 80 Prozent Seltene Erden aus einer Lösung auf."

Um den Fermentationsprozess anzustoßen, benötigt man zuerst einmal Elektroschrott in Pulverform, der in Salpetersäure aufgelöst wird. Salpetersäure hat zwar grundsätzlich nicht unbedenkliche Auswirkungen auf die Umwelt. Da sie aber als Stickstoffquelle für die beteiligten Organismen fungiert und nur in sehr kleinen Mengen eingesetzt wird, bleibt am Ende des Prozesses nichts von ihr übrig.

Kontrollierte Bedingungen

Dem aufgelösten Pulver wird anschließend eine Nährlösung genau definierter Zusammensetzung sowie der jeweilige Organismus zugefügt. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Algen, Pilze, den Heubazillus (Bacillus subtilis) oder das Kolibakterium (Escherichia coli). Mittels der Anpassung von Prozessparametern wie Temperatur, pH-Wert oder der Sauerstoffkonzentration im Nährmedium kann man das Wachstum der Organismen kontrollieren. Die Zugabe der Nährlösung erfolgt tröpfchenweise. Sobald der 15 Liter fassende Reaktor voll ist, ist auch der Prozess beendet.

Wie lange das dauert, hängt vom verwendeten Organismus ab. Mit Kolibakterien dauert die Fermentation etwa 72 Stunden, einzellige Pilze wie die Bierhefe brauchen drei bis fünf Tage, Algen rund zwei bis drei Wochen.

Natürlich muss man die Seltenen Erden wieder aus den Organismen herausbekommen. Dafür werden die Zellen mechanisch aufgebrochen, um die Zellteile freizulegen. Zuletzt erfolgt die Fraktionierung in die verschiedenen Bestandteile. Dabei erhält man auch die Seltenen Erden. "Unser Ziel ist es, die Fraktionen so zu gestalten, dass nur noch eine oder maximal zwei Seltene Erden in einer Fraktion enthalten sind", erklärt Schild.

Kooperation der Mikroben

Übrig bleiben am Ende nur Biomasse und biologisch abbaubare Flüssigkeit als Produkte der Fermentation. Um das Verfahren noch weiter zu optimieren, forschen die Kremser an sogenannten Co-Kulturen. Dabei werden zwei verschiedene Arten von Organismen kombiniert, die sich als Symbionten verhalten. Ein Ziel dabei ist, einen fotoautotrophen Organismus, der nur Licht und Kohlendioxid zum Wachsen benötigt, mit einem heterotrophen Organismus, der als Nahrung Kohlenstoff benötigt, gemeinsam im Reaktor zu kultivieren. Denn fotoautotrophe Organismen, zum Beispiel Algen oder grüne Cyanobakterien, können aus dem Kohlendioxid der Luft Substanzen produzieren, die den heterotrophen Organismen, wie etwa dem Kolibakterium, als Nahrungsquelle dienen.

Verschiedene Mikroorganismen nehmen außerdem verschiedene Seltene Erden unterschiedlich gut auf. "Wir untersuchen, wie wir durch Veränderung der Bedingungen steuern können, dass zum Beispiel zuerst mehr Neodym aufgenommen wird und in einem nächsten Schritt Lanthan", sagt Schild. Bis das Verfahren in großtechnischem Maßstab einsetzbar ist, wird es noch dauern. Doch die grundsätzliche Machbarkeit scheint nun außer Zweifel zu stehen. (Raimund Lang, 11.9.2021)