Auch unter den Heuschrecken (im Bild ein Grünes Heupferd, Tettigonia viridissima) grassiert das große Sterben.

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In den letzten Jahren bestätigte eine Reihe von Studien, was sich durchaus auch selbst beobachten lässt: Die Insektenpopulationen nehmen drastisch ab, ebenso wie ihre Artenvielfalt. Eine Meta-Analyse von 166 Langzeitstudien aus verschiedenen Weltregionen aus dem Vorjahr zeigte beispielsweise, dass die Bestände landlebender Insekten – etwa Schmetterlinge, Heuschrecken oder Ameisen – im globalen Durchschnitt um 0,92 Prozent pro Jahr zurückgehen. In Teilen der USA sowie in Europa, insbesondere in Deutschland, sei der Rückgang demnach am stärksten. Hochgerechnet bedeutet das 24 Prozent weniger Insekten über 30 Jahre und sogar eine Halbierung über 75 Jahre.

Menge und Vielfalt im freien Fall

Eine ebenfalls 2020 herausgekommene Untersuchung zeichnet auch für Österreich ein vergleichbares Bild: Demnach hat sich der heimische Insektenbestand seit 1990 um drei Viertel verringert. Zugleich sank deren Diversität in diesem Zeitraum um bis zu ein Drittel. Das Ausmaß des Insektensterbens in der Schweiz hat das Forum Biodiversität der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) erhoben und am Dienstag in einem aktuellen Bericht veröffentlicht.

Auch hier verweisen die Daten darauf, dass bei vielen Insekten die Bestände auf einem bedenklich tiefen Niveau angelangt sind: "Das langfristige Überleben der betroffenen Arten und damit auch die Erbringung ihrer Ökosystemleistungen sind damit infrage gestellt", heißt es in dem Report.

Krabbler mit vielfältigen Aufgaben

Zu diesen von Insekten bereitgestellten Dienstleistungen an den Menschen gehören Blütenbestäubung, die Verbreitung von Samen und biologische Schädlingsbekämpfung. Insekten bilden auch die Nahrungsgrundlage vieler Fische und Vögel, tragen zum Abbau von abgestorbenem Pflanzenmaterial bei und führen so dem Boden Nährstoffe zurück. Der ökonomische Wert der Insekten sei kaum abschätzbar, sagte der Ökologe und Präsident des Forum Biodiversität, Florian Altermatt, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Fast 30.000 Insektenarten in der Schweiz sind aus der Literatur bekannt, Schätzungen zufolge dürfte es sogar 44.000 bis 60.000 Insektenarten geben. Derzeit sind in Roten Listen 1.153 Arten bewertet, von denen fast sechzig Prozent als gefährdet oder potenziell gefährdet gelten, 38 als in der Schweiz ausgestorben und 107 vom Aussterben bedroht.

Besonders gelitten in den vergangenen Jahrzehnten hatten demnach spezialisierte sowie kälteliebende Insekten, die etwa an Gewässern, Feuchtgebieten, Mooren, Trockenwiesen sowie in alpinen und subalpinen Zonen leben, sie wurden Opfer intensiver Landnutzung, Pestizide und Düngung, Strukturbereinigung, Zersiedlung, Lichtverschmutzung oder die Klimaerwärmung.

Maßnahmen zeigen Wirkung

Wärmeliebende und generalistische Insekten hingegen breiteten sich in den vergangenen zwanzig Jahren allerdings eher aus, etwa im Mittelland kamen sogar Arten hinzu, beispielsweise bei den Tagfaltern. Doch: Einerseits habe die Zunahme insbesondere dort stattgefunden, wo es lange Zeit einen Rückgang gab und die Zahl der Arten noch immer viel tiefer sei als noch Mitte des vergangenen Jahrhunderts, sagte Altermatt. Andererseits beobachte man zunehmend ein Arteneinerlei, da überall vermehrt dieselben Arten vorkämen.

Dass sich ergriffene Maßnahmen positiv auf die Artenvielfalt der Insekten auswirken können, zeige das Beispiel des Waldes: Während dieser vor fünfzig Jahren noch intensiv genutzt wurde, setze man heute vermehrt auf Mischkulturen, lasse Totholz liegen und betreibe eine extensivere Waldnutzung. "Damit einher ging tendenziell eine Zunahme der Insektenvielfalt", sagte Altermatt.

12-Punkte-Plan

Zwar fehlen Daten zur Entwicklung der Gesamtmenge an Insekten, der sogenannten Biomasse, aber auch wenn derzeit noch Wissenslücken bestehen: "Um handeln zu können, sind ausreichende Kenntnisse vorhanden", schreiben die Forschenden. Die Synthese basierend auf den nationalen Roten Listen, auf Ergebnissen nationaler Monitoring-Programme, auf lokalen und regionalen Studien sowie auf Fachexpertisen und der von den Forschenden formulierte 12-Punkte-Plan für die Erhaltung der Insektenvielfalt soll nun als Grundlage für die Politik dienen, dazu zählen bekannte Maßnahmen wie ein zumindest teilweiser Verzicht auf Pestizide, ein Ausbau des Monitorings oder eine Verringerung der Lichtverschmutzung zum Schutz nachtaktiver Insekten. (red, APA, 7.9.2021)