Der zentrale Hof der Messe München.

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Renault Mégane E-Tech Electric, erste Autos kommen im März.

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Mercedes EQE, erhältlich ab Mitte nächsten Jahres.

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Weltpremieren elektrisch: BMW i4, ab 22. Februar.

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Siebensitzer Dacia Jogger (Nachfolger des Lodgy), ab Februar.

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Der VW Multivan startet Mitte November.

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Mercedes C-Klasse All Terrain, ab Dezember erhältlich.

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Weltpremieren "konventionell": Kia Sportage (ab Jahresende).

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Microlino aus der Schweiz. Österreich-Start? Womöglich 2022.

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Die ganze Welt ist Bühne. Sagt Shakespeare. Ganz so weit geht die Internationale Automobil-Ausstellung, besser bekannt unter dem Akronym IAA, natürlich nicht. Aber die ganze (Innen-)Stadt in München darf es schon sein. Was Bayerns Kurfürsten und Könige weiland an prachtvollen Bauten und Straßenzügen errichtet haben, dient als Kulisse für Begegnungszonen, an denen die meisten teilnehmenden Hersteller (und auch Zulieferer) sich dem Publikum präsentieren. Zugehöriger Begriff: "Open Space". Die "IAA Mobility" (7. bis 12. September) bespielt darüber hinaus die Messe München, und via "Blue Line" sind die einzelnen Standorte sowie Messe und Innenstadt miteinander verknüpft – da kann man gleich in die neuen Elektrofahrzeuge springen und sie mitfahrend kennenlernen, gute Idee.

Sprachprobleme

Sie sehen, der Hauptveranstalter, der altehrwürdige Verband der Automobilindustrie (VDA), hat in den heuer 120 Jahren seines Bestehens seine Muttersprache Deutsch verlernt, bemüht sich andererseits aber redlich, das Thema Autosalon grünbemantelt zukunftsfähig zu machen.

Und zwar wie folgt. Erste Vorgabe an die Hersteller war, der Weg zur Klimaneutralität stand schließlich klar im Vordergrund: Ausschließlich Mobilitätswendeobjekte herzeigen. Cola Light (Mild-Hybrid) gilt nicht, sondern nur Mineralwasser prickelnd (Plug-in-Hybrid) oder still (batterieelektrisch). Dann ist das Thema Mobilität (ja, den Begriff gibt es auch auf Deutsch) weiter gefasst, vom Elektrofahrrad bis zur Flugdrohne und zum Zeppelin NT, dazwischen alles vom Mikromobil bis zum Riesentrumm Mercedes-Maybach Concept EQS.

Auf Kurs

(Geradenoch-)Kanzlerin Angela Merkel jedenfalls sah die Branche bei der Eröffnungsrede generell auf dem richtigen Kurs, anders als vor zwei Jahren seien jetzt Elektroautos reichlich verfügbar.

Das war am Dienstag, dem 7. September. Wer sonntags und montags davor durch die Straßen und Boulevards flanierte, sah überall noch Baustelle. Die Kommune hatte nur ganz kurze Vorlaufzeiten genehmigt zur Errichtung der Stände in der Innenstadt, kaum zu glauben, dass alles rechtzeitig fertig wurde. Das rigorose Sicherheitskonzept, das die bayerische Staatsregierung den Veranstaltern auferlegt hatte, sollte in den Messehallen Menschenauflauf verhindern – blöd nur: Außerhalb des abgesperrten Bereichs, wie ihn beispielsweise Volkswagen errichtet hatte, drängten sich die Massen. Und überall Masken, Masken, Masken...

Konkurrenz CES

Jahrzehnte lang galt die IAA als bedeutendste Branchenmesse der Welt. Kaum ein Hersteller, der es sich erlauben konnte, die Veranstaltung zu schwänzen. Hier spielte die Musik, denn die deutsche Automobilindustrie gab technisch den Takt vor. Aber schon vor Corona hatte sich abgezeichnet, dass das bisherige Konzept sich überlebt hatte. (Unterhaltungs-)Elektronikmessen wie die CES in Las Vegas waren drauf und dran, dem klassischen Salon den Rang abzulaufen. Ein Grund unter mehreren: immer massivere Digitalisierung und Vernetzung des Automobils.

Auch war das alte Gefüge durcheinandergekommen, seit China in den Nullerjahren diesen kometenhaften Aufstieg hinlegte und die Messen in Peking und Schanghai immer bedeutender wurden. Bis dahin sah die Welt so aus: Detroit Auto Show zum Jahresauftakt, gefolgt von der Frühjahrsmesse in Genf. Im Frühherbst alternierend Paris und Frankfurt, biennal zum Jahresabschluss dann noch die Tokyo Motor Show. Detroit und Tokyo sind inzwischen zu (bestenfalls) B-Messen degradiert, und mit der Pandemie schien es so, als seien die Automessen endgültig passé, von China – siehe diesjährige Auto Shanghai Ende April – abgesehen. Die lieben das Auto und den Zirkus rundum.

Von Frankfurt nach München

Schon vor Corona war Frankfurt als IAA-Austragungsort ausgeschieden, wurde München als Nachfolger fixiert, und damit schließt sich der Kreis. Die Medien sind derzeit voll mit Berichterstattung zum Thema, das neue Konzept wird mal gelobt, mal kritisiert, für beides gibt es reichlich Anlass, und ob das Publikum das annimmt, bleibt auch noch fraglich. Rund 400.000 Besucher wurden es schließlich – 2019 in Frankfurt, bei allerdings deutlich längerer Gesamtdauer der Veranstaltung: 560.000.

Wer zur Autoshow geht, will Autos sehen. Nun hat es sich aber ergeben, dass, anders als bisher, im Messegelände sich nicht die Stände der einzelnen Hersteller aneinanderreihen, sondern von den vier in Betracht kommenden Hallen – B1, B2, B3 und A1 – jede nur einen großen Hersteller beherbergt (A1: BMW groß, Hyundai klein; B1: Renault; B2: VW; B3: Mercedes-Benz) und vielleicht noch den einen oder anderen kleinen Stand. Der Rest entfällt auf Zulieferer, was nicht per se unspannend sein muss, aber doch eher für ein Fachpublikum relevant. B4 gehört den Liebhaberinnen und Liebhabern historischer Fahrzeuge, B5 und B6 dem Fahrrad, sowohl elektrisch als auch rein mit Muskelkraft betrieben.

Wer aller nicht da ist

Nächste Beobachtung: Die halbe Branche ist in München gar nicht erst erschienen. Die Japaner blieben der Veranstaltung geschlossen fern, mit Stellantis auch ein bedeutender europäischer Spieler, von den Koreanern war Kia nur deshalb in der Innenstadt auf den IAA-Zug aufgesprungen, weil sowieso gerade die Weltpremiere des neuen Sportage anstand, und Ford (B2) hatte einen bescheidenen Auftritt, den die deutsche Niederlassung allein stemmte. Dafür zeigten wiederum ein paar Chinesen Präsenz, die Great Wall-Marken Wey (Premium) und Ora (Elektro) beispielsweise.

Und damit berichten wir noch kurz, was zur IAA an Welt- und Europapremieren aufgefahren wurde. Audi meidet, wie Porsche, die Messehallen und hat es sich chic auf dem Wittelsbacherplatz eingerichtet, zeigt aber "nur" Studien dort am "Open Space"-Stand, keine konkreten neuen Fahrzeuge.

Modellfeuerwerk bei BMW

Anders BMW. Die zündeten ein wahres Modellfeuerwerk und bespielen sowohl die Messe als auch die Stadt (Marien-, Odeon-, Max-Joseph-Platz). Zweifellos wichtigstes Debut: i4. Das viertürige Gran Coupé (4,78 m lang) sieht in natura richtig gut aus und ist in Österreich ab 26. Februar erhältlich, in den Versionen i4 eDrive 40 (250 kW, ab 57.900 €, 590 km Reichweite) und M50 (400 kW, Allradantrieb, ab 69.800 €, 520 km Reichweite). Ein wahrlich fettes Teil und fraglos perfekt für die USA und China konzipiert ist das neue Elektro-Flaggschiff iX, der 4,95-Meter-Allrad-SUV (je ein E-Motor vorne und hinten) kann mit bis zu 200 kW geladen werden und kommt zwischen 425 (xDrive40, 240 kW, ab 79.350 €) und 630 km (xDrive50, 385 kW, ab 96.150 €) weit, beim iX M60 (440 kW) sind Preise und Reichweite noch offen. Los geht’s am 13. November. Und der erste Elektro-SUV, der in China gefertigte iX3, bekommt nach einem Jahr bereits ein Facelift.

Darüber hinaus wird auch der iX5 Hydrogen gezeigt, mit dem BMW Ende 2022 in Kleinserie Wasserstoff-Brennstoffzellen-Kompetenz demonstrieren will. Systemleistung: 275 kW. Die beiden Elektro-Einspurer CE 04 (ab 1. Quartal 2022) und CE 02 runden das Programm ab – oder nein: Auch das 2er Coupé zählt zum Aufgebot, wird aber, weil nicht elektrisch oder Plug-in, "nur" in der BMW-Welt bei der Firmenzentrale vor- und ausgestellt.

Mercedes EQE

"Beim Daimler" ein ähnliches Bild, Präsenz im Messegelände (B3) und innerstädtisch (Residenz). Herausragende Weltpremiere: EQE. Mehr Fließheck- denn klassisches Limousinendesign, kommt die 4,95 Meter lange, beinahe zierlich wirkende elektrische E-Klasse auf eigener technischer Basis daher, leistet als EQE 350 215 kW (292 PS) und fährt bis zu 660 km weit. Geht mit Jahresmitte etwas später an den Start als der i4.

Weltpremiere gab es auch für die C-Klasse All Terrain, die rustikalisierte Version des Kombis nach Muster des größeren Bruders E-Klasse All Terrain. Marktstart ist im Dezember, mit 204-PS-Benziner und 200-PS-Benziner. Plug-in-Hybrid ist für den neuen C-Klasse-Ableger allerdings nicht geplant. Schließlich noch eine wichtige Europapremiere: EQB. Der elektrische GLB. Mit 168 und 215 kW und bis zu 419 km Reichweite. Ab Jahresende.

Kia Sportage

Kia zelebriert den Auftritt des Sportage in der Innenstadt gleich ums Eck von Mercedes, der 4,52-Meter-SUV sieht richtig gut und überraschend nobel aus. Los geht’s zu Jahreswechsel, die Plug-in-Version (195 kW) folgt wenig später. Star bei Renault ist klarerweise der Mégane E-Tech Electric. Neue Plattform, 4,21 m lang, 96 und 160 kW, Reichweite 300 (40-kWh-Akku) bis 470 km (60-kWh-Akku). Und bei Dacia debütierte der Lodgy-Erbe Jogger, der Biszusiebensitzer ist ab Februar erhältlich.

Damit sind wir bei VW angelangt und deren Serien-Weltpremiere, dem Multivan. Pkw- und Nutzfahrzeugversionen (künftig Ford-Derivate) gehen ab jetzt getrennte Wege. Wie der Dacia bietet er Platz für bis zu sieben Insassen (denen aber deutlich mehr Platz), erstmals steht der "Bus" auf MQB-Basis (Modularer Querbaukasten), und es gibt ihn ab Marktstart Mitte November auch gleich als Plug-in-Hybrid mit 160 kW Systemleistung. Kostenpunkt Multivan: ab ca. 50.000 €.

Wiedergeburt der Isetta

Zuletzt noch ein ganz kurzer Schlenker zur Mikromobilität. Microlino. Das Pfefferminzbonbon der IAA. Im Messegelände (Halle B3) bestens besucht, ist die Wiedergeburt von BMWs Isetta – wie jene ist das Schweizer E-Mobil, das in Turin gebaut wird, ein Frontlader – schon jetzt ein Erfolg: 24.000 Bestellungen meldet der Hersteller vor dem Marktstart, der nächstes Jahr erfolgen soll. Knackige Eckdaten: 2,43 m kurz, Zweisitzer, 11 kW stark, 90 km/h Höchstgeschwindigkeit, 125 (bei 8-kWh-Batterie) bzw. 200 km (bei 14,4-kWh-Batterie) Reichweite.

Fazit IAA: Die Show geht weiter. Wenn Corona will. (Andreas Stockinger, 8.9.2021)