Die Sorgen von Frauen beziehen sich stark auf mögliche Nebenwirkungen.

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Da war er auf einmal, ein kleiner Knoten in der Brust. Dass er durch die Pille ausgelöst wurde, die Nina damals seit Jahren nahm, ist unwahrscheinlich. Das sagen Studien, das sagte Ninas Frauenarzt. In einer Operation wurde das Geschwür entfernt, das ungute Gefühl aber blieb. "Mir wurde da erst klar: Über mögliche Nebenwirkungen hat man mit mir gar nie gesprochen", sagt sie.

Heute hat Nina, die eigentlich anders heißt, einen zweijährigen Sohn und arbeitet als Lehrerin in einer kleinen steirischen Gemeinde. Im kommenden Semester wird sie sich dreimal die Woche testen lassen, denn geimpft sie ist nicht. "Ich wollte von da an einfach kein Risiko mehr eingehen", sagt Nina. "Vor allem weil ich noch Kinder haben will."

Aus Angst skeptisch

Inzwischen wurden weltweit 3,2 Milliarden Menschen gegen Covid-19 geimpft. Hinweise dafür, dass die Impfung die Fruchtbarkeit von Frauen oder Männern beeinträchtigt, gibt es nicht. Im Gegenteil. Fachgesellschaften wie die Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGGG) empfehlen die Impfung jungen Frauen mit Kinderwunsch sogar ausdrücklich: "Die Impfung macht genauso wenig unfruchtbar, wie ein virusbedingter Schnupfen oder Durchfall unfruchtbar macht", sagt deren Vorsitzende, die Gynäkologin Gunda Pristauz-Telsnigg. Trotzdem sitzt sie in ihrer Praxis oft verunsicherten Frauen gegenüber. "Sie zu überzeugen braucht viel Geduld und Aufklärung", sagt sie.

Österreichs Impfquote stagniert. Das Land Oberösterreich ließ deshalb kürzlich erheben, warum das so ist. Das Ergebnis: Vor allem Frauen unter 50 Jahren sind skeptisch. Ein zentrales Motiv: Angst um die Fruchtbarkeit.

Ähnliche Ergebnisse liefert das Corona-Panel der Uni Wien: Während der Anteil der Impfskeptikerinnen und Impfskeptiker unter Frauen nur um circa ein bis zwei Prozent größer ist als unter den Männern, klaffen ihre Motive in einer Hinsicht gewaltig auseinander: nämlich dann, wenn es um Nebenwirkungen geht. Rund 38 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie sich Sorgen wegen unvorhergesehener Nebenwirkungen machen. Bei den Männern waren es nur 29 Prozent. "Das darf man nicht ignorieren", sagt der Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl, der die Daten erhoben hat.

"Häufiger negative Erfahrungen"

Wer wissen will, warum Frauen zögerlicher sind, wenn es um die Covid-19-Impfung geht, muss vor der Pandemie ansetzen. "Wir kennen diesen Effekt von vielen Impfungen", sagt Katharina T. Paul, die auch am Corona-Panel beteiligt ist und zu Medizin- und Gesundheitspolitik forscht. "Zum Teil liegt das daran, dass Frauen häufiger negative Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem machen."

In der Medizin galt der männliche Körper lange als Norm. Das führte dazu, dass Krankheiten und Medikamente zu einem großen Teil an Männern erforscht wurden. Bekannt ist das bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bei Frauen werden sie seltener diagnostiziert, weil sie in anderen Altersgruppen andere Symptome zeigen. "Das Misstrauen von Frauen gegen das Gesundheitssystem spiegelt sich nun in ihrer Impfskepsis wider", sagt Paul.

Bei der Erprobung der Covid-19-Impfstoffe wurde auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geachtet. Aber es gab einen toten Winkel. Im Frühjahr häuften sich in den sozialen Medien Meldungen von Frauen, die nach der Impfung eine Veränderung ihres Zyklus beobachteten. Derzeit gibt es keine Hinweise, dass diese temporären Zyklusveränderungen durch die Impfung ausgelöst werden. In den Studien wurde das aber gar nicht erhoben. "Kurzfristige Störungen des Zyklus sind in Hinblick auf die Fruchtbarkeit vollkommen unbedenklich", sagt die Internistin und Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer. "Trotzdem wollen Frauen darüber Bescheid wissen."

Schwangere von Zulassungsstudien ausgeschlossen

Außerdem war es laut Kautzky-Willer ein Fehler, Schwangere von den Zulassungsstudien auszuschließen. "Aus Sicht der Hersteller macht es Sinn, da Schwangere schwer zu rekrutieren sind, viele hat das aber verunsichert." Fachgesellschaften haben die Impfung mit einem mRNA-Vakzin aufgrund des erhöhten Risikos für einen schweren Verlauf bald aber auch für Schwangere ab dem zweiten Trimester empfohlen. Inzwischen liegen Daten dazu vor: Die Impfung ist für Mutter und Kind sicher und ähnlich wirksam wie bei nicht Schwangeren.

Noch ein Punkt: Frauen entwickeln durch ihre stärkere Immunantwort häufiger und stärkere Impfreaktionen. Das haben bereits Untersuchungen an vielen anderen Impfstoffen gezeigt. "Wer bereits unter einer solchen Impfreaktion gelitten hat, überlegt dann vielleicht zweimal", sagt Kautzky-Willer.

Unterschiedliche Einstiegshilfen

Die Autorin und Journalistin Ingrid Brodnig beschäftigt sich seit Jahren mit Verschwörungsmythen und nennt weitere Gründe dafür, warum auch viele Frauen der Impfung mit einer gewissen Skepsis begegnen können. Sie gibt zu bedenken, dass Themen wie Esoterik und auch Gesundheitsthemen oft sehr "frauenlastig" seien. Ein Teil der Esoterikszene, aber auch einzelne Personen aus der Yoga-Szene etwa würden mit einem sehr naturaffinen Denken und einer Impfskepsis auffallen.

Und auch unter Eltern gebe es schon länger impfskeptische Gruppen, die jenseits der medizinischen Empfehlungen Angst machen. "Die Impfung von Kindern polarisiert noch einmal mehr, das Impfen an sich ist nirgendwo so umkämpft wie bei Eltern", sagt Brodnig. "Und um die Gesundheit des Kindes ängstigt und kümmert sich wer? In vielen Fällen eben Mütter." Auch das könne eine Impfskeptikerinnenkarriere anstoßen.

Mythen passen zu Bedenken

Viele der Mythen rund um die Corona-Vakzine würden auch "gut zu Bedenken mancher Frauen passen", sagt Brodnig. "Viele Falschmeldungen kommen ja nicht aus dem Nichts, sie bauen auf bestehenden Sorgen auf, deshalb funktionieren sie so gut. Wenn jemand einen Kinderwunsch hat und eine Falschmeldung behauptet, die Impfung mache unfruchtbar, dann nagt das an Menschen." Da die Impfkampagne der Regierung anscheinend nicht auf Frauen ausgerichtet sei, bestehe die Gefahr, dass manche Mythen zu wenig gekontert werden. Es sei schlicht verabsäumt worden, Frauen im Bezug auf Corona und die Impfung direkt anzusprechen und aufzuklären, befindet Brodnig. Es sei wichtig, "dass man die Dinge anspricht, die Frauen wissen müssen, damit keine Beunruhigung entsteht".

Ähnlich sieht das der Kommunikationswissenschater Eberl: Die mediale Berichterstattung über Thrombosen, die in sehr seltene Fällen nach der Impfung mit Astra Zenca auftraten, habe dazu geführt, dass Frauen ihr eigenes Risiko, schwer an Covid zu erkranken, unter- und die Risiken der Impfung überschätzen, sagt Eberl. Daneben hätten sich Falschinformationen über Unfruchtbarkeit durch die Impfung schon früh, noch vor dem Start der offiziellen Impfkampagne, gezielt an Frauen gerichtet, sagt Eberl. "Von öffentlicher Seite aber wurde ihnen nichts entgegengestellt." Es sei nun höchste Zeit, diese Bedenken explizit anzusprechen und durch zielgerichtete Informationskampagnen auszuräumen.

Vor allem in Hinblick auf bevorstehende Kinderimpfung müsse man die Ängste von Frauen adressieren, sagt Katharina T. Paul. Denn: Es sind vor allem sie, die mit ihren Kindern im Fall von Impfreaktionen zu Hause bleiben. Gerade bei Krankheiten, die durch Impfung quasi unsichtbar geworden sind, habe das dazu geführt, dass Frauen die Nebenwirkungen von Impfungen überbewerten. (Eja Kapeller, Jan Michael Marchart, 9.9.2021)