Jair Bolsonaro will den Präsidentenpalast "nur tot" verlassen.

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Der Präsident ließ sich von Ex-Formel-1-Fahrer Nelson Piqut im Rolls Royce chauffieren.

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Brasiliens Staatschef fährt in einem offenen Rolls-Royce vor, der vom ehemaligen Formel-1-Piloten Nelson Piquet gesteuert wird. Jair Bolsonaro hat die Präsidentenschärpe umgelegt und lässt sich mit einem Kind auf dem Arm umjubeln. Die bizarre Inszenierung diente am Dienstag nicht den Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag, sondern war die Machtdemonstration eines politisch angeschlagenen Präsidenten. Seit Wochen mobilisiert Bolsonaro seine Anhänger in den sozialen Medien. Rund 100.000 von ihnen sind in die Hauptstadt Brasília gekommen.

Die Situation ist angespannt. In Brasilien geht dreieinhalb Jahrzehnte nach Ende der Militärdiktatur (1964 bis 1985) die Angst vor einem Putsch um, den Bolsonaro planen soll. Er selbst befeuert die Debatte. Mit scharfer Rhetorik beschimpft der ehemalige Fallschirmspringer den Kongress und stellt den Richtern des obersten Gerichts ein Ultimatum. Entscheidungen der Richter werde er nicht mehr respektieren. "Den Halunken sage ich, ich werde niemals im Gefängnis sein", ruft er aus. Nur tot werde er den Präsidentenpalast verlassen, tönt der Staatschef.

Panzer vor dem Kongress

Das oberste Gericht hat mehrere Ermittlungen gegen Bolsonaro und sein Umfeld eingeleitet, unter anderem wegen systematischer Verbreitung von Falschnachrichten. Vor dem Präsidentenpalast halten seine Anhänger Transparente hoch. Sie fordern die Auflösung des Kongresses und eine Intervention des Militärs. "Von heute an wird in Brasilien eine neue Geschichte geschrieben. Ich bitte Gott um mehr Weisheit, Kraft und Mut, um gut entscheiden zu können", ruft Bolsonaro vieldeutig seinen Anhängern zu.

Der Kongress hat einen vielbeachteten parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der über Versäumnisse der Regierung in der Corona-Pandemie berät. Dabei geht es um Schmiergelder, das Kleinreden der Pandemie, die bereits mehr als einer halben Million Menschen das Leben gekostet hat, und das Ablehnen von Impfstoffen. Bolsonaro ließ vor dem Kongressgebäude Panzer auffahren – Provokation und Drohung zugleich. Schon jetzt sagt er für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr Wahlfälschungen voraus. Das Ergebnis werde er nicht anerkennen, sagt er in der Manier seines Vorbilds Donald Trump.

Generalprobe für einen Putsch nennen Kritiker die Aufmärsche. Politisch steht Bolsonaro mit dem Rücken zur Wand. Nach einer aktuellen Umfrage würde er dem linken Ex-Präsidenten Lula da Silva unterliegen. Zu Wirtschaftskrise und Corona-Pandemie kommt eine Jahrhundertdürre, das Trinkwasser wird knapp. Doch in rund 15 Städten konnte Bolsonaro Anhänger zusammentrommeln. Im Internet kursieren Videos, die zeigen, wie seine Unterstützer aus Wirtschafts- und Agrarlobby Busse für den Transport der Demonstranten bereitstellen und Geld verteilten.

Auch Bolsonaro-Gegner sind auf die Straßen gegangen, allerdings waren sie zahlenmäßig unterlegen. Der Politikwissenschafter Marcos Nobre beklagt die Sprachlosigkeit der Zivilgesellschaft, die immer noch nicht geeint gegen die Zerstörung der Demokratie auftrete. "Es wird kein Happy End geben", sagt er. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 8.9.2021)