Je nach Auslastung der Intensivstationen greifen Maßnahmen des neuen Stufenplans.

Foto: imago

Die Regierung dreht also wieder an der Schraube für Corona-Maßnahmen. Und wie zu erwarten war, wird sie nun wieder fester angezogen. Die rasante Zunahme von Covid-Patienten auf Intensivstationen macht Maßnahmen notwendig. In den meisten Fällen handelt es sich um ernsthaft erkrankte Frauen und Männer jüngeren Alters, die – aus welchen Gründen auch immer – noch nicht geimpft waren.

Für die neuen Maßnahmen gibt es einen Stufenplan – je nachdem, wie viele Menschen intensivmedizinisch behandelt werden müssen, denn Plätze auf Intensivstationen in Krankenhäusern sind beschränkt. Auch in anderen Ländern ist nicht mehr die Anzahl von Infektionen für die Verhängung von Maßnahmen ausschlaggebend, sondern die jeweils aktuelle Lage in den Spitälern.

Stufenplan

Kompliziert oder unübersichtlich ist der Stufenplan eigentlich nicht, auch wenn das die blaue und die pinke Opposition behaupten. Dass der simple Mund-Nasen-Schutz zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder der FFP2-Maske weichen muss, ist keine große intellektuelle Herausforderung. Im Grunde ist der Plan darauf ausgerichtet, das zu vermeiden, was niemand mehr möchte: einen harten Lockdown.

Ob die Maßnahmen zu einer Einbremsung der schweren Fälle führen können, steht auf einem anderen Blatt. Vermutlich nicht. Oder besser gesagt: nur über den Umweg, dass sich mehr Menschen die Impfung holen. Denn die Schraube, die da angezogen wird, betrifft in Wahrheit den nicht kleinen Teil der Bevölkerung, der noch ungeschützt ist, deshalb ein höheres Infektionsrisiko für sich und andere darstellt und bei einer Infektion selbst schwerer erkrankt.

Mit Schrauben ist das so eine Sache, wie Heimwerker wissen. Manchmal sind die Dinger so fest angezogen, dass sie sich nicht mehr einfach lösen lassen. Der erste Impuls ist dann oft rohe Gewalt – und die bringt gar nichts. Eine der repressivsten Pandemie-Ideen, die dieser Tage geboren wurde, ist der Selbstbehalt für Ungeimpfte, wenn sie im Krankenhaus oder gar intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Nach dem Motto "Selber schuld, selber zahlen". Folgt man dieser Argumentation, müssten auch alle, die sich ungesund ernähren, aber auch alle, die sich über die Maßen sportlich betätigen, zur Kasse gebeten werden. Damit würden wir aber unser Gesundheitssystem, das glücklicherweise nicht zwischen guter und schlechter Erkrankung differenziert, über Bord werfen. Dass manche Menschen dieses Prinzip der Solidarität bewusst oder unbewusst ausnützen, muss das System aushalten.

Gefühl und Grips

Um eine festsitzende Schraube zu lösen, sind Gefühl und Grips gefragt. Ein Problem ist, dass es die Regierung verabsäumt hat, schon vor dem Sommer auf Jugendliche und junge Erwachsene maßgeschneiderte Impfkampagnen zu lancieren. Wo waren die Clips auf Youtube, Facebook, Tiktok und Co? Statt jugendgerechter Aufklärung gibt es die Androhung von Kontrollen und Strafen und die Warnung, dass man sich das Nachtleben abschminken kann. Die schwarze Pädagogik lässt grüßen.

Noch ein Tipp zur Schraube: Manchmal hilft ein wenig Kriechöl. Es kann auch sinnvoll sein, mit einem Föhn die Stelle zu erwärmen, weil dadurch das Material leicht nachgibt und die Schraube sich dann herausdrehen lässt. Es gibt aber keine Patentlösung, man darf nur nicht aufgeben. (Michael Simoner, 8.9.2021)