9/11 kann als markante Zäsur der jüngeren Zeitgeschichte gesehen werden, wie sie nur das Jahr 1989 in seiner Auswirkung auf die globale Staatenwelt übertroffen hat. Mit dem Angriff auf die USA und dem "War on Terror" erfolgte eine Reihe geopolitischer Umwälzungen und im Zuge dessen ein neuer Impuls für eine Facette der Kriegsführung und Machtprojektion, die als Privatisierung der Sicherheit bezeichnet wird.

Mit dem Einmarsch der "Coalition of the Willing" in den Irak kamen nicht nur reguläre Soldaten in das Zweistromland, sondern auch eine Vielzahl von Firmen, ohne die die Okkupation gar nicht erst möglich gewesen wäre – sei es logistisch, militärisch oder sogar politisch. Auch der bereits 2001 begonnene Krieg in Afghanistan wäre ohne diese Firmen undenkbar gewesen.1 Die Bezeichnungen für diese sind vielseitig und reichen von saloppen Formulierungen wie "Söldner" zu neutralen Termini wie "private military companies" (kurz PMC). Selbst 20 Jahre später ist die Abhängigkeit der internationalen Staatengemeinschaft und selbst der Zivilgesellschaft von PMCs nach Beginn des "War on Terror" ungebrochen.2 So waren bis zuletzt Botschaftsangehörige und das US-State-Departement in Kabul auf Helikopter der Firma DynCorp angewiesen, um sich sicher durch die afghanische Hauptstadt zu bewegen.3

PMCs sind jedoch kein Phänomen der jüngsten Vergangenheit und (die oftmals polemisch beziehungsweise wertend bezeichneten) Söldner sind seit Anbeginn der Kriegsführung auf zahlreichen Schlachtfeldern anzutreffen. Dennoch hat seit 1945 die jüngste und 3. Welle der Privatisierung von Sicherheit eine neue Qualität erreicht, mit ernstzunehmenden Folge für Gesellschaft und Politik.

Die Wellen der Privatisierung von Sicherheit

Gehen wir einen Schritt zurück: Mit Beginn des Kalten Krieges und im Kontext des Dekolonisierungsprozesses in Afrika und dem Nahen Osten erfolgte eine 1. Welle der Verwendung von Söldnern nach dem Zweiten Weltkrieg. Selbige war bei weitem nicht die unorganisierte und ad hoc zusammengestellte Exkursion von Abenteurern, wie es oft in romantisierenden, zeitgenössischen Darstellungen wie Africa Addio und auch heutzutage portraitiert wurde. Vielmehr waren diese Einsätze eng verbunden mit den Stellvertreterkriegen und geheimdienstlichen Aktivitäten der Großmächte, sowie den wirtschaftlichen Interessen der ehemaligen Kolonialmächte. Vor allem in den Konflikten im Kongo und dem Jemen in den 1960er-Jahren war dies stark zu beobachten.4

Die historische Zäsur des Jahres 1989 ging dann mit dem Abbau großer Armeen in den 1990er-Jahren einher, was im Aufkommen von Firmen wie Executive Outcomes, Sandline International oder MPRI resultierte und die 2. Welle der privatisierten Sicherheit (mit der dementsprechenden Aufmerksamkeit von Medien und Forschung) einläutete.5

Diese PMCs wurden in weiterer Folge in den frühen 2000er-Jahren regelmäßig als Vergleich herangezogen, um die im Irak agierenden Firmen zu beschreiben, und auf das Phänomen hinzuweisen. Dies war nicht zuletzt deshalb notwendig, da der Informationsstand zu den neu gegründeten Akteuren dürftig und der Zugang zu solchen aufgrund der inhärenten Intransparenz der Firmen nahezu unmöglich war. Somit war vor allem in der ersten Phase des "War on Terror" die PMC Branche mythenumrankt, und fiel primär durch gewaltsame Zwischenfälle auf, die oftmals die einzige Möglichkeit boten um an Informationen zu kommen.

Erst die Recherche investigativer Journalisten, die Berichte von Brancheninsidern und die darauffolgenden Analysen der akademischen Forschungslandschaft brachten Licht ins Dunkle. Es wurde deutlich, wie diese 3. Welle der Privatisierung ein Resultat der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik der Bush-Administration war, beziehungsweise in der britischen Außenpolitik bis weit in die Regierungszeit Margaret Thatchers zurückging und nun voll zum Gelten kam. Die Branche hatte sich etabliert und Firmen agierten nicht mehr im Dunklen, sondern traten als registrierte und legitimierte Unternehmen auf, kooperierten offen mit Regierungen und stellten ihre Mitarbeiter legal auf Vertragsbasis an.

Die Forschung stellte auch weitere, vielfach abstraktere Überlegungen an, die sich primär mit juristischen, regulativen oder theoretischen Fragestellungen auseinandersetzten. Die Themen reichten von der Definition von "Söldnern",6 über die Bandbreite an Firmen, hin zu den unterschiedlichen Aufgabenbereichen.7 Auch die Frage, was die Privatisierung von Sicherheit für das staatliche Gewaltmonopol bedeutet, war ein Kern der Debatte.8 Oftmals mit dem obligatorischen Verweis auf historische Beispiele wie die neuzeitlichen Condottieri, Landsknechte oder griechische Söldner im persischen Reich; von Anspielungen auf Literatur und Popkultur ganz zu schweigen.9

Der neue Goldrausch

Vor allem der Krieg im Irak löste einen regelrechten "Goldrausch" für ausländische Firmen aus. Pointiert stellte James Hider fest, dass "In Iraq, the postwar business boom is not oil. It is security."10 Sicherheit war der begehrte Rohstoff und zahlreiche Firmen die im Irak die US-Streitkräfte oder die Übergangsverwaltung unterstützten, boten diese Sicherheit an, oder benötigten sie selbst. Auch NGOs und Journalisten waren auf diese Hilfe angewiesen, um im Land überhaupt erst arbeiten zu können.

Der Wiederaufbau des Landes und die Sicherheitslage boten reichlich Spielraum für kostspielige Dienstleistungen. Firmen wie Kellogg, Brown & Root, Booz Allen Hamilton oder der weitaus bekanntere Konzern Halliburton erfreuten sich millionenschwerer Aufträge.11 Auch die Mitarbeiter von PMCs galten als maßlos überbezahlt, was vielleicht für die Anfangsphase des Krieges und für ehemalige Mitglieder von Spezialeinheiten durchaus gestimmt haben durfte. Dennoch stellten Studien des US Congressional Budget Office, des Center for Naval Analyses sowie dem Government Accountability Office bald klar, dass die oft kolportierte Überbezahlung sogenannter "Contractors" fernab der Realität waren. Branchenblätter wie das Serviam Magazine rechneten vor, dass die Bezahlung eines durchschnittlichen Mitarbeiters einer Sicherheitsfirma der eines Staff Sergeant entsprach.12 Aus dem Kalkül der Branche Kosten zu senken und damit den Gewinn zu maximieren, wurde laufend an allen Ecken und Enden gespart und mittels Drittstaatsangehörigen die Personalkosten weiter gedrückt. Die Kostenersparnis wurde jedoch selten weitergegeben. Jedoch hatten die im Irak und Afghanistan involvierten Staaten in Bezug auf Kosten ihre eigenen Beweggründe – und diese fielen vor allem in den Bereich der Politik.

Die politischen Kosten – Die Branche rückt ins Rampenlicht

Von der Verwendung von PMCs bekam die Öffentlichkeit zunächst kaum etwas mit. Für die Bush-Administration war es jedenfalls eine Möglichkeit einen kleineren Fußabdruck zu wahren und Militärpersonal für Kampfhandlungen zu konzentrieren. Die Bilder getöteter amerikanischer Soldaten, die 1993 durch die Straßen Mogadischus gezerrt wurden, waren noch tief im kollektiven Gedächtnis. Man war also darauf erpicht, sowenig amerikanische Särge wie nur möglich in den Medien zu sehen. Da die Mitarbeiter von PMCs nicht in den Statistiken geführt wurden, waren somit auch die offiziellen Todeszahlen weitaus niedriger.

Für die Bush-Administration waren PMCs unter anderem Mittel zum Zweck, den Krieg besser zu verkaufen.
Foto: ERIC DRAPER / The White House / AFP

Doch genau solche Bilder rückten die PMC-Branche ins internationale Rampenlicht. Als nämlich im März 2004 vier Mitarbeiter der Firma Blackwater in Fallujah in einen Hinterhalt von Aufständischen getötet wurden, gingen die Bilder ihrer verstümmelten Körper, die von einer Brücke hingen, um die Welt. Schlagartig war nicht nur die PMC-Branche, sondern auch die Firma Blackwater selbst im Rampenlicht. Eine gezielte Auseinandersetzung mit der Thematik begann, der sich zuvor nur wenige Forschende widmeten, die bereits zur 2. Welle in den 1990er-Jahren geforscht hatten. Die Vergabe der Aufträge der Firmen, Aufgabenbereiche und vor allem die Missstände der Branche waren zunächst der Fokus. Zu Letzteren gab es reichlich Material. Angefangen von Videos die PMC-Mitarbeiter der Firma Aegis beim Beschießen von irakischen Fahrzeugen zeigen, oder Gefechtsaufnahmen von Blackwater Scharfschützen, die in Najaf von der schieren Masse an Aufständischen überrascht wurden und von einem "turkey shoot" sprachen. Ausgelöst durch die zunehmende Digitalisierung und leicht erwerbliche Aufnahmegeräte gab es eine Masse an Videomaterial aus dem Konfliktgebiet.

Nicht zuletzt Blackwater sorgte mit einem Gefecht am Nisour Square in Bagdad für Schlagzeilen, da zahlreiche Zivilisten unter den Opfern waren und unterschiedlichen Versionen der genauen Umstände jahrelang für Debatten sorgten. Dieser Vorfall spiegelt auch die zynische Realität von Konfliktzonen wider, in denen staatlich legitimierte Gewalt weniger kritische Aufmerksamkeit erhält, als die von der PMC-Branche ausgeübte. So kam es regelmäßig zu Zwischenfällen in denen irakische Zivilisten durch Soldaten getötet wurden (zum Beispiel das Haditha-Massaker).13 Dabei fehlt es in der Ahndung solcher Vorfälle nicht an den rechtlichen oder regulativen Rahmenbedingungen, sondern am simplen Mangel an Kontrollkapazitäten sowie am politischen Willen.14 Auch wenn oftmals die berühmt, berüchtigte Order 17 des Verwalters der Coalition Provisional Authority (CPA), Paul Bremer, zitiert wird, gab es im Irak keine Straffreiheit für PMCs.15 Vielmehr wurde damit geregelt, dass sämtliche ausländischen "Contractors" nicht unter irakisches Recht fallen, sondern unter das Regelwerk der CPA.16

Die politische Komponente fällt unweigerlich auf. Sei es im Bereich des Völkerrechts, der Regulierung oder der Verwendung von PMCs. Denn ein Einsatz dieser Firmen garantierte seit der 1. Welle nach dem Zweiten Weltkrieg einen geringen politischen Fußabdruck, Abstreitbarkeit, die Möglichkeit parlamentarische Kontrollprozesse zu umgehen, eigene wirtschaftliche Interessen durchzusetzen oder inoffiziell an Konflikten teilzunehmen. Dieses Kalkül verbreitet sich 20 Jahre nach 9/11 zunehmend auf geopolitische Ebene.

Implikationen für die Zukunft

Mit der 3. Welle der Privatisierung von Sicherheit nach 9/11 wurde ein Trend in Gang gesetzt, der weitreichende Folgen für die internationale Staatenwelt hat. Speziell in den letzten Jahren haben weitere Staaten das Potential von PMCs für sich erkannt. Sei es im Rahmen globaler Machtprojektion, der Absicherung wirtschaftlicher Interessen, versteckter Militärhilfe oder sogar hybrider Kriegsführung. So nutzte Russland die PMC "Gruppe Wagner" nicht nur im Zuge seiner hybriden Vorgehensweise in der Ukraine, sondern auch in Syrien.17 In Afrika nutzt Russland diese Firmen um eigene Interessen zu wahren, befreundete Staaten zu unterstützen und gleichzeitig einen kleinen Fußabdruck zu wahren.18

China nutzt ebenfalls PMCs im großen Stil, um das globale Wirtschaftsprojekt der Belt and Road Initiative (BRI) und damit die eigenen Interessen zu schützen. Chinesische Arbeiter sehen sich nämlich aufgrund der wirtschaftlichen Ambitionen ihres Heimatlandes in zahlreichen Entwicklungsländern zunehmend Angriffen ausgesetzt.19 Die Bedrohungen sind dabei vielseitiger Natur wie zum Beispiel Grenzstreitigkeiten zwischen Tadschikistan und Kirgisistan, bis hin zu Ausschreitungen gegen chinesische Arbeiter in Kasachstan.20 Dass hierfür das Modell der mittlerweile berühmt, berüchtigten PMC Blackwater als effizient erachtet wird, zeigte sich nicht zuletzt darin, dass Erik Prince (der Gründer der PMC) bis vor Kurzem als Executive Director der in Hongkong ansässigen Frontier Services Group agierte.21

Somit bietet sich in Zukunft wieder Potential für gewaltsame Konfrontationen der Großmächte, die bislang aufgrund der Globalisierung und der Zäsur 1989 undenkbar waren. Dass dies nicht bloße Spekulation ist, hat ein Vorfall in Syrien deutlich gezeigt. Dort kam es 2018 zu einem Gefecht zwischen US-Truppen und der Gruppe Wagner – dabei starben zwischen 15 und 200 russische Kombattanten. Russland bestritt den Zwischenfall beziehungsweise dass es sich hierbei um Russen gehandelt habe.22

Hierbei kommt auch die Verwicklung von einflussreichen Personen ins Spiel – im Falle der PMC-Gruppe Wagner deren Eigentümer Jewgeni Prigoschin, aber auch andere vermögende Personen, die mithilfe von PMCs Politik betreiben wollen. So überlegte eine amerikanische Schauspielerin gemeinsam mit einigen Hilfsorganisationen Blackwater anzuheuern, um im Genozid in Darfur zu intervenieren. So sollte die PMC-Sicherheitszonen errichten, während die NGOs eine PR-Kampagne starten wollten, um die Uno zu einem Hilfseinsatz zu bewegen.23

Status Quo

20 Jahre nach 9/11 hat sich die PMC-Branche konsolidiert. Polarisierenden Debatten in den Medien, parlamentarischen Ausschüssen und der wissenschaftlichen Forschungslandschaft zum Trotz, hat sich die Firmenlandschaft weiter professionalisiert und etabliert. Aus der Masse an kleinen Firmen wurden Konzerne die ihr Portfolio erweitern. Während Organisationen wie Blackwater nicht mehr am Markt sind, finden sich auch Beispiele von Wiedereröffnungen. So verkündete Eeben Barlow, dass seine Ende der 1990er-Jahre geschlossene Firma Executive Outcomes wieder eröffnet worden sei – auf Bitten zahlreicher afrikanischer Regierungen.24

Hubschrauber von PMCs waren für die USA bis zuletzt in Afghanistan tätig.
Foto: imago images/SNA/Vitaliy Belousov

Der Bedarf an den Firmen ist ungebrochen. Es wurde auch lange Zeit spekuliert, ob PMCs die Lücke in Afghanistan füllen werden, die ein Abzug der USA und Nato mit sich bringen wird.25 Mittlerweile sind diese Pläne aufgrund der aktuellen Lage im Land kein Thema mehr. Vielmehr vergrößert China seine Präsenz in den zentralasiatischen Staaten, um die eigenen Interessen zu wahren – ausgelöst durch den Abzug der US-Truppen und der sich damit verschlechternden Sicherheitslage im Land. Dadurch wird nicht zuletzt die Präsenz anderer Akteure in der Region zusehends herausgefordert, seien es nun die USA, Russland oder die Türkei.26

Dies zeigt einmal mehr, dass die Welle der Privatisierung von Sicherheit nicht abebbt. Vielmehr stellt sich die Frage, ob und wie weit wir uns mittlerweile in einer 4. Welle befinden. (David Christopher Jaklin, 11.9.2021)