"Pläne sind nicht in Stein gemeißelt", sagt Beamtin Katharina Reich.

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Katharina Reich ließ wahrlich keinen Zweifel darüber aufkommen, dass ihr ein zentraler Punkt der türkis-grünen Pläne für den Corona-Herbst nicht weit genug geht. Reich ist Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, also eine gewichtige Stimme im Pandemiemanagement. Dass die neue FFP2-Masken-Pflicht ab 15. September im Handel nur für Ungeimpfte zur Pflicht wird, bezeichnete sie im Ö1- Morgenjournal am Donnerstag als "eine politische Entscheidung", als "das kleinste gemeinsame Vielfache". Natürlich hätte sie es gerne strenger gehabt, sagte Reich.

Die hohe Beamtin sprach sich für eine FFP2-Masken-Pflicht für alle aus. Bei den Verhandlungen ist es aber nun ein Kompromiss geworden, der etwas unbeholfen wirkt. Auch weil die Frage offenbleibt, wie das eigentlich kontrolliert werden soll. Aber wie kam es eigentlich zu dieser Entscheidung?

In Kreisen des Gesundheitsministeriums gibt man sich da selbst im Hintergrund etwas zugeknöpft. Bei den Gesprächen hätten "diverse Player" auf die Entscheidung eingewirkt, sagen Verhandler. Zumindest die rot geführten Bundesländer wollen damit nichts zu tun haben. Im Gegenteil: Für die Präsentation des neuen Stufenplans hätte es vorab nicht einmal Details gegeben, weshalb der Gesprächsprozess zwischen Bund und Ländern am Mittwoch anfangs auch verwirrend gewesen sei. Von den Landeshauptleuten hätte da jedenfalls niemand gebremst.

Gespaltener Handel

Tatsächlich dürfte die Sache schon im Vorfeld recht simpel entschieden worden sein. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) und sein Ressort arbeiteten einen internen Plan aus, wann in welcher Situation wie reagiert werden müsse. Im Ministerium dachte man eine generelle FFP2-Masken-Pflicht an, also auch für Geimpfte, wie Reich nun klarstellte.

Doch bei der politischen Abstimmung soll das Kanzleramt dann genau diesen Punkt entschärft haben. Die türkise Verhandlerseite bekam wohl auch Druck vom Handel, wie es heißt. Letzterer scheint nun aber auch nicht vollends zufriedengestellt worden zu sein.

Während sich der Spartenobmann der Wirtschaftskammer, Rainer Trefelik, darüber freut, dass die FFP2-Masken-Pflicht mit Ausnahme des Lebensmittelhandels im Handel österreichweit nur für Ungeimpfte gilt, zeigt sich der Handelsverband überrascht über die Entscheidung, da "der Handel nachweislich kein Corona-Hotspot" sei. Man werde die Maßnahme aber gezwungenermaßen mittragen.

Auf grüner Seite sieht man den koalitionären Kompromiss unaufgeregt. Beim Juniorpartner hat man damit gerechnet, dass Mücksteins Plan nicht eins zu eins übernommen wird. Eine generelle FFP2-Masken-Pflicht bleibe aber weiterhin auf der gesundheitspolitischen Agenda.

Abstufung statt Eskalation

Dass Virologen den Stufenplan der Regierung als zu mild ansehen, kommentierte Reich ebenfalls damit, dass es sich um einen Kompromiss handle. Sie sei froh, "dass wir etwas machen". Sollten die Maßnahmen nicht ausreichen, werde nachgeschärft. "Wie immer sind solche Pläne nicht in Stein gemeißelt und müssen sich der Situation auch adaptiv zeigen, und das werden wir vielleicht tun müssen. Das stelle ich hier in den Raum", sagte Reich.

Vorerst schraubt man nur an der FFP2-Masken-Pflicht, verkürzt die Gültigkeit von Antigentests auf 24 statt 48 Stunden, und die 3G-Regel gilt bei Veranstaltungen ab 25, nicht erst ab 100 Teilnehmenden. Dass die Maßnahmen stufenweise schärfer werden und nicht schon jetzt etwa nur noch Geimpfte und Genesene die Nachtgastronomie betreten dürfen, argumentieren Verhandler damit, dass man die volle Eskalation vermeiden möchte, damit die Maßnahmen eher mitgetragen werden.

Naturgemäß gar kein Verständnis für die Regierungspläne zeigte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Einmal mehr warf er der Regierung vor, die Gesellschaft zu spalten. Die Ungeimpften würden als "Sündenböcke" abgestempelt und nicht mehr als "Impfskeptiker", sondern als "Impfverweigerer" bezeichnet.

Kickl warf der Regierung auch "Betrug" hinsichtlich der Corona-Impfung vor. Diese halte nicht das ein, was versprochen worden sei. Dabei sind es hauptsächlich ungeimpfte Corona-Erkrankte, die derzeit auf Intensivstationen versorgt werden müssen. Kickl hält es für verantwortungslos, zweifach Geimpfte als Vollimmunisierte zu bezeichnen, "wenn man weiß, dass ich mich weiter infizieren, weiter erkranken und das Virus weiterhin weitergeben kann". (Jan Michael Marchart, Michael Völker, 9.9.2021)