Das Weltraumteleskop wird auf den Transport von Kalifornien nach Französisch-Guayana vorbereitet.
Foto: Chris Gunn/Nasa/AFP

Nach Jahrzehnten der Vertagungen könnte es Ende dieses Jahres endlich so weit sein: Das James-Webb-Weltraumteleskop soll am 18. Dezember vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten. Der erste geplante Start, der im Jahr 1997 verlautbart wurde, war für das Jahr 2007 angesetzt, zahlreiche Neubewertungen verschoben den designierten Abflug immer weiter. Bei einem solchen Projekt, wie es Esa, Nasa und die kanadische Weltraumbehörde CSA/ASC bisher gemeinsam zuwege gebracht haben, ist das auch gar nicht so verwunderlich: Ist das Webb-Teleskop erst einmal von der Erde abgehoben, kann es nicht mehr gewartet oder repariert werden.

Das Ziel des nun fertiggestellten Webb-Teleskops liegt in rund 1,5 Millionen Kilometern Entfernung außerhalb der Erdumlaufbahn, beim zweiten Lagrange-Punkt der Erde (L2), wo Objekte effektiv keinen Gravitationskräften ausgesetzt sind und ohne Antrieb die Sonne umkreisen. Dort waren bis 2013 auch das Herschel- sowie das Planck-Weltraumteleskop der Esa im Einsatz. L2 eignet sich für Teleskope, weil sie hier besser von der Sonnenstrahlung abgeschirmt sind als auf einer Erdumlaufbahn. Außerdem schützt es sich mit einer Sonnenblende. Die Positionierung in der Umlaufbahn um L2 bedeutet allerdings auch, dass es nicht repariert werden kann – im Gegensatz zum Hubble-Weltraumteleskop, das sich auf einer Erdumlaufbahn befindet und quasi seit Beginn seines Betriebs vor mehr als 30 Jahren immer wieder gewartet und angepasst wurde.

Am zweiten Lagrange-Punkt des Erde-Sonne-Systems soll das Webb-Teleskop in die Vergangenheit schauen.
Bild: Esa

Blick in die Urknall-Vergangenheit

Hat das neue Weltraumteleskop seinen Platz eingenommen, soll es uns einen völlig neuen Blick in den Kosmos gewähren. Da wir heute am Sternenhimmel Licht sehen, das bereits immens lang unterwegs ist, wenn sich die entsprechenden Sterne in extremer Entfernung zu uns befinden, schauen wir gewissermaßen stets auch in die Vergangenheit zurück. Das James-Webb-Teleskop soll es Fachleuten der Astronomie ermöglichen, so manche Sterne und Galaxien zu betrachten, die zu den ersten leuchtenden Objekten überhaupt zählen. Zum Urknall kam es wohl vor rund 13,8 Milliarden Jahren, so lange könnte ihr Licht also bereits auf dem Weg zu uns sein. Das Webb-Teleskop könnte bis in die Zeit 100 bis 250 Millionen Jahre nach dem Urknall schauen. Zum Vergleich: Die Erde dürfte seit etwa 4,6 Milliarden Jahren existieren. Daneben steht auch die Untersuchung der Atmosphären von Exoplaneten auf dem Programm.

"Das James-Webb-Weltraumteleskop wird das leistungsstärkste und komplexeste Teleskop sein, das je losgeschickt wurde", sagt die britische Weltraumwissenschafterin Caroline Harper. "Es wird unser Verständnis des Universums weiterbringen, indem es Forschenden erlaubt, nach der unbeobachteten Entstehung der ersten Galaxien zu suchen und in Staubwolken zu blicken, in denen sich heute Sterne und Planetensysteme bilden."

Geschütteltes Zehn-Milliarden-Dollar-Projekt

Dazu registriert das Teleskop Wellenlängen im Infrarotbereich – im Gegensatz zum bisher wohl berühmtesten Weltraumteleskop Hubble, das vom nahen infraroten Spektrum über das sichtbare bis hin zum nahen ultravioletten ein breiteres Feld abdeckt. Das Hubble-Teleskop, das schon seit 1990 im Einsatz ist, wird kurzfristig parallel zu Webb arbeiten und danach in den Ruhestand versetzt werden. Der Nachfolger Webb hat eine 100-mal höhere Empfindlichkeit.

Der Hauptspiegel des Teleskops ist aus 18 sechseckigen Bestandteilen zusammengesetzt und wird für den Transport in der Rakete zusammengefaltet.
Foto: Chris Gunn/Nasa/AFP

Dafür sind aufwendiges Know-how und die entsprechende Hardware erforderlich, die unter anderem auch kluge Köpfe aus Österreich lieferten. Gekostet hat das Teleskop rund zehn Milliarden US-Dollar. Sein Hauptspiegel hat einen Durchmesser von 6,5 Metern und ist mit Gold bedampft; er besteht aus 18 wabenförmigen Segmenten und muss zusammengefaltet werden, um in die Ariane-5-Trägerrakete zu passen, die das Teleskop ins All schießt.

Dort muss sich alles nach Plan wieder entfalten, was voraussichtlich um die Weihnachtszeit herum geschehen wird. Das macht auch die schottische Astronomin Gillian Wright etwas nervös, die leitend in die Entwicklung und Konstruktion des Teleskops involviert ist: "Die rationale Seite von mir sagt, dass alles schon viele Male getestet wurde; ich habe alle Analysen gesehen. Da gibt es wirklich nichts, worüber man sich Sorgen machen müsste. Aber die weniger rationale Seite von mir sagt: 'Oh, mein Gott, sie werden dieses Teleskop auf eine Rakete setzen und sie in Stücke schütteln'."

Beobachtungen ab Juni 2022 möglich

Nach einer Reisezeit von etwa einem Monat soll das Teleskop im L2-Orbit ankommen. Dann dauert es weitere zwei bis drei Monate, bis die Instrumente eingeschaltet werden; nach vier bis sechs Monaten wird ihre Funktionsweise getestet. Wenn alles gut läuft, könnten etwa ab Juni die wissenschaftlichen Beobachtungen beginnen, für die die Fachleute bereits Schlange stehen.

Zuvor muss das Webb-Weltraumteleskop nun allerdings auf dem Seeweg von Kalifornien durch den Panamakanal zum Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana reisen, wo die Raketenteile aus Europa bereits angekommen sind. Dort werden letzte Routine-Checks durchgeführt, das Teleskop betankt und auf die Spitze der Rakete gehoben. Weitere Verschiebungen des Startzeitpunkts sollten nicht vorkommen – ganz ausgeschlossen sind sie aber nicht. (sic, 10.9.2021)