Der tägliche Verkehrsinfarkt auf der Wiener Südosttangente.

Foto: Toppress / Karl Schöndorfer

Wien – Wie groß die vielgepriesene Verkehrsentlastung durch die umstrittene Stadtstraße in Wien-Donaustadt sein wird, darüber gehen die Meinungen zwischen dem Projektwerber, also der Magistratsabteilung 28, und Projektgegnern sowie Umweltorganisationen weit auseinander. Die Experten im Rathaus stützen sich auf die dem Einreichprojekt aus dem Jahr 2014 beiliegenden Verkehrsuntersuchung, die von dem auf Verkehrsplanung und -technik spezialisierten Ziviltechnikerbüro Arealconsult erstellt wurde.

Arealconsult schreibt der am S1-Knoten Raasdorf (in Niederösterreich) beginnenden und bei Hirschstetten in die A23 Südosttangente einmündenden sogenannten Stadtstraße mit ihren zwei Tunnels (Emichgasse, nächst den Blumengärten Hirschstetten, sowie Hausfeld) erhebliche Verkehrsentlastung zu. Näher betrachtet wird dabei allerdings nicht Verkehr vermieden oder aus der Stadt verbannt, sondern es handelt sich um reine Verkehrsverlagerung, diesfalls vom niederrangigen auf das höherrangige Straßennetz, also auf die schnellere Stadtstraße und – zusammen mit der sogenannten Spange Aspern – auf die Schnellstraße S1 beziehungsweise auf die A23 Südosttangente.

Unter den städtischen Blumengärten

Entlastet würden durch die vierspurige Stadtstraße, wird betont, die vorbei an den (bzw. unterirdisch durch die) einstigen Ortszentren Hirschstetten, Breitenlee, Eßling und Aspern führen soll, ebendiese vom Durchgangsverkehr.

Mit der umstrittenen Nordostumfahrung im Paket ist die nicht minder umstrittene Stadtstraße in Donaustadt.

Zugrunde gelegt wurde den Modellrechnungen eine Verkehrsuntersuchung, in der die Fachleute davon ausgingen, dass es bis zum Jahr 2030 jedenfalls zu einer deutlichen Zunahme des Straßenverkehrs kommen wird, angenommen wurde ein Anstieg um 79 Prozent. "Wird die zu erwartende Verkehrsnachfrage auf das Prognosenetz ohne Errichtung der Stadtstraße Aspern bzw. der S1-Spange Seestadt Aspern umgelegt, so kommt es zu noch stärkeren Leistungsfähigkeitseinschränkungen an Hirschstettner Straße und Erzherzog-Karl-Straße", so die Conclusio der Verkehrsplaner.

Noch mehr Stau

Heißt auf gut Deutsch: Bleibt alles, wie es ist (Nullplanfall), kommt noch mehr Stau respektive Verkehrsinfarkt, wie es ihn werktags längst nahezu tagtäglich gibt. Die Folge laut dem Einreichprojekt: ein massiver Anstieg des Ausweichverkehrs ins untergeordnete Straßennetz. Auf den bestehenden (Gemeinde-)Straßen würde der Ausweichverkehr um 56 Prozent zunehmen.

Der von den Planern skizzierte einzige Ausweg: die von Umweltaktivisten und Bürgern mittels Protestcamps bekämpfte Stadtschnellstraße. Sie würde zu 95 Prozent vom Quell-Ziel- und Binnenverkehr frequentiert. Durchgangs- und Transitverkehr hingegen würden 2030 nur einen eher kleinen Anteil beisteuern, wobei der Durchgangsverkehr mit vier Prozent angenommen wird und der Transitverkehr mit einem Anteil von einem Prozent überraschend gering erscheint.

Bündelung als Ausweg?

Durch die Bündelung des Verkehrs auf eine Route – diesfalls quer durch den Bezirk – "wird die Umweltsituation flächenhaft in der Region verbessert", stellen die Verkehrsplaner in Aussicht. Zusammen bewirkten die 3,3 Kilometer lange Stadtstraße und S1-Spange Seestadt im Jahr 2030 eine Reduktion der Verkehrsleistung, also der zurückgelegten Kfz-Kilometer auf Gemeindestraßen, um rund zwölf Prozent.

Also alles paletti? "Keineswegs", rechnet das Umweltbüro Virus vor. "Die Situation wird gegenüber dem Ist-Zustand nicht besser. Es kommt ein Zuwachs, lediglich der Zuwachs wird vorübergehend ein bisschen gebremst", warnt Wolfgang Rehm von Virus. Er zweifelt an der behaupteten Entlastungswirkung und verweist auf die Verkehrsprognosen im Einreichprojekt.

Über 10.000 Kfz an Werktagen

Ebendieses weist laut der Prognose 2030 in dem laut Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) maßgeblichen Maßnahmenplanfall (1.D.3. 2030 – mit Stadtstraße, Spange Aspern und S1-Lobautunnel) in Hirschstetten eine Verkehrsbelastung von werktags durchschnittlich 10.500 Kfz aus. In Breitenlee werden es demnach bis 2030 pro Werktag immer noch im Schnitt 11.900 Fahrzeuge sein, auf der A23 bei Stadlau täglich rund 123.700 Kfz. (Luise Ungerboeck, 10.9.2021)