Lange galt Israel als Vorbild in der Corona-Bekämpfung.

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Nach mehreren Wochen Anstieg endlich ein Plateau: Das ist das Bild, das die Infektionszahlen in Israel, dem einstigen Vorreiterland in Sachen strenge Corona-Maßnahmen, ergeben. Die Neuinfektionen liegen nun wieder deutlich unter den traurigen Rekordwerten von 10.000 positiven Tests pro Tag – und auch der für das Ausbreitungstempo des Virus letztlich entscheidende R-Koeffizient war mit 0,83 am Donnerstag so niedrig wie zuletzt im Juni. Und das angesichts der soeben dramatisch an Fahrt gewinnenden sogenannten vierten Welle der Pandemie in vielen Ländern Europas.

Daran, worin der Grund für die Entspannung in Israel zu suchen ist, besteht unter Expertinnen und Experten kein Zweifel: Die dritte Impfung wirkt. Einen Beleg dafür liefern in dem kleinen Land am Ostufer des Mittelmeers die Krankenhäuser: Dort zeigte sich bereits vergangene Woche, dass der Anteil an über 60-Jährigen unter den Corona-Patienten sank. Diese Altersgruppe war die erste, die Anfang August zur Auf frischungsimpfung gerufen wurde, bevor schrittweise auch Jüngere drankamen – und ist nun folglich die erste Alterskohorte, die aufgrund der Immunisierung weniger oft erkrankt.

Während die Infektionszahlen noch weiter anstiegen, ging die Zahl der schwer erkrankten Patientinnen und Patienten im Alter von über 60 Jahren bereits zurück. Und unter ihnen dominieren heute die Ungeimpften. Während man in durchschnittlichen Seniorenheimen zwischen Haifa und Eilat lange suchen muss, um Ungeimpfte zu finden, stellen Seniorinnen und Senioren ohne Impfschutz fast zwei Drittel der schweren Fälle der über 60-Jährigen.

Kein 100-Prozent-Schutz

Trotzdem lassen sich manche Israelis von dem Umstand verunsichern, dass weiterhin auch Geimpfte an einer Erkrankung mit Covid-19 sterben. Das liegt zum einen daran, dass der Impfschutz nicht bei 100 Prozent liegt, andererseits aber auch an der Altersgruppe. So waren in Israel alle Covid-Toten der vergangenen Tage 60 Jahre alt oder älter – also Personen mit einer im Vergleich zu jüngeren Schichten reduzierten Immunabwehr.

In den kommenden zwei Wochen wird sich zeigen, ob das heutige Plateau auch ein Gipfel ist, der eine Trendwende im Infektionsgeschehen bringt. Denn der Herbst birgt heuer besondere Risiken. Israel begeht im September mehrere hohe religiöse Feiertage, die mit vielen Superspreader-Events in Wohnzimmern und Synagogen einhergehen könnten. Dazu kommt, dass Anfang September auch die Schulen wieder geöffnet haben. Im Vorjahr wurde zu den Feiertagen ein Lockdown verhängt. Diesmal hofft man im Gesundheitsministerium, dass der Effekt der Impfung ausreichen wird. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 9.9.2021)