Laut einem gerichtlichen Gutachten war es ungünstig, "im Jahr 2020 einen Lebenslauf bei 2017 enden zu lassen".

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Unterhaltsschuldner müssen sich bemühen, angemessene Einkünfte zu erzielen. Finden sie aus eigenem Verschulden keinen Job, kommt der sogenannte Anspannungsgrundsatz zur Anwendung: Das Gericht legt ein hypothetisches Einkommen fest. Dementsprechend erhöht sich auch der zu zahlende Unterhalt.

In einer aktuellen Entscheidung beschäftigte sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dem Fall eines Mannes, der aufgrund seiner schlechten Bewerbungsunterlagen arbeitslos blieb. Sein Sohn beantragte deshalb bei Gericht einen höheren Unterhalt. Das kam für das Höchstgericht in diesem Fall aber nicht infrage. Dass der Mann für seine Bewerbungen keinen Berater beizog, sei ihm nämlich nicht vorwerfbar gewesen (OGH 25.6.2021, 8 Ob 59/21s).

Erhöhung des Unterhalts?

Der Sohn des Mannes hatte die Erhöhung des Unterhalts gefordert, weil sein Vater bereits seit 2010 arbeitslos war und Notstandshilfe bezog. Das Bezirksgericht Melk gab dem Antrag in erster Instanz statt. Laut Gericht hätte der Mann theoretisch rund 1.800 Euro monatlich verdienen können. Der Richter stützte sich dabei auf ein Gerichtsgutachten. Demnach wäre es dem Mann mit hoher Wahrscheinlichkeit möglich gewesen, eine Beschäftigung zu finden, wenn er sich ordentlich beworben hätte.

Der Sachverständige qualifizierte den Lebenslauf, den der Unterhaltspflichtige vorlegte, als "prinzipiell optisch attraktiv, prägnant und inhaltlich aufschlussreich gestaltet". Die Bewerbungsschreiben hätten "generell einen positiven Eindruck" hinterlassen. In "einigen Details" sah der Gutachter jedoch Verbesserungsbedarf.

So sei es ungünstig gewesen, "im Jahr 2020 einen Lebenslauf bei 2017 enden zu lassen". Außerdem wirke das 30 Jahre zurückliegende Führungskräfteseminar "in Anbetracht des übrigen Berufs- und Ausbildungsverlaufs deplatziert." Es bestehe zudem der Eindruck, dass sich der Mann etwas "quer durch den Gemüsegarten" auf Ausschreibungen beworben habe, die nicht auf sein Bewerberprofil passen. Insgesamt wertete das Bezirksgericht Melk diese Mängel in den Bewerbungsunterlagen als Fahrlässigkeit, die die "Anspannung" des Mannes auf einen höheren Unterhalt rechtfertige.

Nicht vorwerfbar

Das Landesgericht St. Pölten und der Oberste Gerichtshof sahen das anders: Die "handwerklichen Mängel" der Bewerbungsunterlagen seien dem Mann erst durch das Gutachten bekannt geworden und deshalb nicht vorwerfbar gewesen. Die "Anspannung" des Mannes auf ein fiktives Einkommen von monatlich 1.800 Euro sei daher nicht gerechtfertigt gewesen; eine Erhöhung des Unterhalts komme nicht infrage. (Jakob Pflügl, 10.9.2021)