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Mobile Games machen den größten Teil des Umsatzes der Gaming-Branche aus.

Foto: Reuters/Aly Song

Videospiele und ihre Liebhaber lassen sich kaum in einen Topf werfen. Immerhin gibt es inzwischen mehrere Milliarden Menschen, die tagtäglich in virtuelle Welten abtauchen; egal ob am Smartphone, am PC oder an der Konsole. In Sachen Umsatz lässt die Branche sogar Hollywood und die Musikindustrie alt aussehen. Zur Freude der Gamer erscheinen die Schöpfungen sowohl grafisch als auch spielerisch in immer realistischerem Gewand. Doch trotz der gefühlten Diversität lassen die aktuell größten Gaming-Trends nichts Gutes für Fans von AAA-Entwicklungen und Vollpreisspielen ahnen. Was ist da los, und wo müssten die Stellschrauben nachjustiert werden?

Beobachtet man das Vorgehen der größten Publisher, Spieleentwickler und Hardwareproduzenten im Lauf der letzten Jahre, entdeckt man viele Ähnlichkeiten – nämlich Investitionen in Abomodelle wie den Microsoft Game Pass, Uplay Now oder EA Play. Zusätzlich sprießen seit einigen Jahren unterschiedliche Gamestreaming-Angebote aus dem Boden (die allerdings noch niemand wirklich zu nutzen scheint; doch dazu später).

Gratisgames bescheren Milliardenumsatz

Am prominentesten dürfte vielen allerdings der rasante Aufstieg des Free-to-Play-Konzepts auffallen, dessen Mechaniken von den ebenso beliebten Battle-Royale-(BR-)Titeln übernommen und weiter popularisiert wurden. Während das die Konzernkassen klingeln lässt, leidet die Qualität des wachsenden Angebots. Alleine 2020 setzte die Branche auf digitalem Weg fast 126,6 Milliarden US-Dollar um. Eine enorme Summe, für die mit 73,8 Milliarden Dollar vor allem Mobile Games verantwortlich sind. Mit 22,7 Milliarden kommen an zweiter Stelle Free-to-Play-(FtP-)Spiele für den PC, erst mit weitem Abstand FtP auf Konsolen. Im Vergleich dazu: Vollpreisspiele erzielten einen Umsatz von 24,5 Milliarden Dollar, von denen 17,8 Milliarden auf Gamingkonsolen entfallen.

Zwar wird der Großteil des Umsatzes mit Vollpreisspielen noch immer in den USA und Europa generiert, doch zeigt sich auch hierzulande das immer größere (wirtschaftliche) Potenzial der Gratisgames. Das kann nicht zuletzt daran erkannt werden, wie viele weltberühmte Spieleserien auf diesen Zug aufspringen. Während Activisions BR-Game Call of Duty: Warzone schon seit 2019 ein Magnet für Liebhaber von Militärshootern ist, wird der Multiplayer-Teil des im Herbst erscheinenden Halo Infinite gratis spielbar sein. Geld wird dann durch sogenannte Mikrotransaktionen, zum Beispiel kosmetische In-Game-Items für die Spielfigur oder die eigene Waffe, eingenommen.

Klar ist, dass damit eine größere Spielerbasis erreicht werden soll, die sich den Titel ansonsten vielleicht nicht gekauft hätte. Allerdings ist gleichzeitig naheliegend, dass bei Erstveröffentlichung nicht alles im Spiel enthalten sein wird, was ursprünglich vielleicht geplant war – um den treuen Fans die Inhalte dann häppchenweise und für teures Geld zu verkaufen.

Wachsende Skepsis

Unterdessen schwindet zunehmend das Vertrauen in eigentlich beliebte Entwicklerstudios wie Bethesda und CD Projekt Red. Man denke nur an das Debakel rund um Fallout 76. Neben zahlreichen Bugs und regelmäßigen Serverproblemen beschwerten sich Spieler über unausgereifte Spielmechaniken und veraltete Technik. Auf Metacritic liegt das Spiel bei einer Userbewertung von 2,8 von zehn. Mit Blick in die Zukunft – und Starfield am Horizont – dämpft das natürlich die Hoffnung. Man kann ja nie wissen, ob Microsoft einen zu raschen Release forciert, um weitere Spieler zum Kauf eines Game-Pass-Abos zu bewegen. Gleichzeitig steht eine weitere Neuveröffentlichung des inzwischen fast zehn Jahre alten Skyrim bevor. Aber warum? Ganz zu schweigen von der Welle an Kritik, die CD Projekt nach dem Marktstart von Cyberpunk 2077 entgegenschwappte. Auf manchen Konsolen war der Titel unspielbar, doch bot er auch am PC nicht das, was versprochen wurde.

Diese beiden Beispiele stehen leider nur exemplarisch für eine weitverbreitete Entwicklung. Die meisten Publisher melken seit längerem ein und dieselbe Marke und veröffentlichen Jahr für Jahr ein "neues" Spiel mit nur minimalen Änderungen. Innovation sucht man vergebens – außer man sucht abseits des Mainstreams und bei Indie-Entwicklern danach. Free-to-Play und Battle Royale scheinen diese Tatsache rasant beschleunigt zu haben. Statt neue Spiele zu entwickeln, werden alle drei bis sechs Monate neue Saisonpässe verkauft, die dann zwar "nur" 20 Euro kosten, allerdings lediglich minimale Veränderungen in einem gleichbleibenden Spiel bringen.

Obendrauf kommen Abodienste wie Microsofts Game Pass, den das Unternehmen prominent bewirbt, um das Angebot überhaupt kompetitiv zu machen. "Spiele über 100 großartige Konsolen- und PC-Spiele", wird einem vor Abschluss eines Abonnements versprochen. Das klingt erst einmal ziemlich interessant. Dabei droht man aber zu vergessen, dass die meisten Spieler wahrscheinlich an maximal zehn dieser Titel interessiert sein werden – die in einer Masse an Mittelmäßigkeit unterzugehen drohen. Klar ist auch, dass immer nachgelegt werden muss, um die Leute bei der Stange zu halten. Im wahrscheinlich größten Deal der Branchengeschichte kaufte Microsoft deshalb den Bethesda-Mutterkonzern Zenimax für 7,5 Milliarden US-Dollar; und es ist nicht davon auszugehen, dass die Shopping-Tour des Xbox-Herstellers bereits am Ende angelangt ist. Wird diese Linie beibehalten, droht jedoch Masse gegenüber Klasse priorisiert zu werden. Als Spieler ertrinkt man dann in der Auswahl an hunderten Spielen, die einen nicht interessieren.

Livestreaming – aber nur mit gutem Internet

Gleichzeitig versuchen sich immer mehr Firmen an einem Cloud-Gaming-Service. Am bekanntesten sind dabei vermutlich Google Stadia, Microsoft xCloud und Nvidias Gforce Now. Nach anfänglicher Aufmerksamkeit führen diese jedoch eher ein Schattendasein. Vor allem die Zukunft von Stadia scheint in den Sternen zu stehen, die Nutzerzahlen sind weiterhin relativ überschaubar. Microsoft knüpft den eigenen Service hingegen an den Game Pass, was auch Xbox-Besitzern erlaubt, Titel anzuspielen, bevor sie sich für den Download entscheiden.

Allerdings bleiben all diese Angebote derzeit bloß ein Gimmick. Wann sie tatsächlich ausgereift sind, ist unklar. Grund dafür ist weniger das Angebot selbst als die Tatsache, dass der Großteil der Zielgruppe schlicht keine Internetverbindung hat, die schnell und stabil genug wäre. Bei xCloud spürt man derzeit noch eine deutliche Latenz in der Befehlseingabe, möchte man also actiongeladene Titel oder gar einen Multiplayer-Shooter spielen, wird es eher eng.

Ebenso wenig ist absehbar, wann sich die Infrastruktur tatsächlich so großflächig verbessern wird, dass nicht Millionen Gamer im Stich gelassen werden, wenn sich die Branche weiter in Richtung Streaming bewegt – was früher oder später passieren wird. An der Taktik Microsofts lässt sich relativ klar ablesen, dass es dem Konzern nicht mehr um den Verkauf teuer produzierter Hardware geht. Das Unternehmen will viel eher möglichst vielen Menschen Games zur Verfügung stellen. Und zwar egal wo sie sind, egal welches Gerät sie verwenden. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis die Konkurrenz mitziehen wird oder Microsoft einen Rückzieher machen muss. Denn wenn für viele schon der Download eines Spiels bis zu eine Woche dauert, kann man sich leicht vorstellen, wie realistisch das Streaming von ebendiesem ist.

Was heißt das?

Ein Abweichen von diesen Trends ist derzeit allerdings nicht erkennbar. Und: Natürlich braucht es auch technische Innovation, doch scheint der Fokus stärker auf dieser zu liegen als auf möglichen Errungenschaften für das Gameplay und den Spieler selbst. Ebenso selbstverständlich ist, dass die Branche gewinnbringend arbeiten muss. Allerdings sollten sich die relevanten Marktteilnehmer überlegen, wie sie mit qualitativ hochwertigen Produktionen ihre Fans bei der Stange halten können, anstatt sie mit immer gleichen Konzepten auszunehmen und irgendwann aus Langeweile zu vertreiben. Es braucht also ein Umdenken dahin, dass sich wirklich angesehen wird, wo die Wünsche der eigenen Kundschaft liegen. Wie man diese im Einklang mit den Unternehmenszielen erfüllen kann. Klar ist jedenfalls: Das (gefühlt) dreihundertste Call of Duty langweilt bald auch hartgesottene Serienveteranen. (Mickey Manakas, 11.9.2021)