Die vierte Corona-Welle rollt, wirtschaftlich geht es derzeit weltweit aufwärts. Für manche Länder schneller, für manche langsamer. Hierzulande wuchs die Wirtschaft nach dem tiefen Absturz im Corona-Jahr im zweiten Quartal wieder über dem Schnitt des Euroraums. Auch wenn die Schuldenquote auf rekordhohen 89 Prozent des BIP und das Nulldefizit in weiter Ferne liegt: Die Staatseinnahmen sprudeln wieder.

Wohl mit ein Grund, weshalb Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) gemeinsam mit den Kollegen aus Dänemark, Lettland, der Slowakei, Tschechien, Finnland, den Niederlanden und Schweden als Sparmeister auftritt. Die sogenannten "Frugalen" mahnen vor dem Hintergrund eines informellen Treffens der Finanzminister in einem Positionspapier eine rasche Rückkehr zum Stabilitäts- und Wachstumspakt ein.

Starker Anstieg

Die hohen Schuldenstände der EU – in den letzten zwei Jahren ist die Schuldenquote um 15 Prozentpunkte von 79 Prozent (2019) auf 94 Prozent des BIP (Prognose für 2021) gestiegen – würden sich als besonders große Belastung für jene Länder erweisen, die schon vor der Krise hohe Schuldenberge angehäuft hatten, hieß es in dem Papier.

Länder, in denen der Tourismus von großer Bedeutung ist, wurden in der Krise stärker durchgebeutelt.
Foto: AFP/JAIME REINA

Eine Einschätzung, die wohl die meisten Experten teilen. Jene der OECD kommen in einer aktuellen Einschätzung (Economic Survey) zum Schluss, dass das Öffnen der Geldhähne richtig und wichtig gewesen ist. Die entschlossene politische Reaktion hätte geholfen, die negativen Auswirkungen der Krise zumindest abzumildern. Schließlich mussten alle Länder strenge Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergreifen. Die EU ist der OECD zufolge stärker betroffen als die meisten anderen Wirtschaftsräume.

Größte Rezession der Geschichte

Die Pandemie streckte weite Teile der Wirtschaft nieder und bescherte der Union 2020 die größte Rezession ihrer Geschichte. Mit Ausnahme von Irland ging das BIP 2020 in allen EU-Ländern zurück, wobei die Schwankungsbreite von minus eins bis minus elf Prozent reichte. Die stärksten Rückgänge betrafen die Länder, die zu den strengsten Abschottungsmaßnahmen gezwungen waren oder deren Wirtschaftsstruktur am empfindlichsten auf diese reagierte. Die unverhältnismäßigen Auswirkungen der Krise auf Sektoren mit vielen gering qualifizierten Arbeitsplätzen, wie das Gastgewerbe und der Handel, könnten Ungleichheit und Armut verstärken.

Eine Kluft, die sich fortschreiben könnte, warnen die OECD-Experten. Denn die südlichen Länder seien aufgrund ihrer stärkeren Abhängigkeit vom Tourismus im Nachteil. Zudem gebe es in dieser Hemisphäre häufiger sehr kleine Unternehmen, die oft anfälliger seien. Im Gegensatz dazu hätten die nördlichen Länder mit weniger anfälligen Wirtschaftsstrukturen auch von besser ausgestatteten Test- und Rückverfolgungsstrategien profitiert, zumindest während der ersten Welle der Pandemie. Es gelte nun, die Investitionen in Digitalisierung und grüne Transformation in die richtigen Kanäle zu schleusen, empfiehlt die OECD.

Finanzminister Gernot Blümel präsentiert sich nicht das erste Mal gemeinsam mit Kollegen als Sparmeister.
Foto: APA/Herbert Neubauer

Sorgen bereitet der in Paris ansässigen Organisation auch die Entwicklung des Euroraums. Sie befürchtet, dass die Folgen der Corona-Pandemie – ähnlich wie bei der Finanz- und anschließenden Schuldenkrise ab 2009 – den gemeinsamen Währungsraum neuerlich beeinträchtigen könnten. Damals wurden die zuvor recht einheitlichen Wirtschaftszyklen der Mitgliedsstaaten durcheinandergewirbelt. Die Folge: Die am schlimmsten von der Krise getroffenen Länder hätten bei der wirtschaftlichen Erholung länger gebraucht, einige negative Folgen des Schocks hätten sich verfestigt.

Ein neuerliches Auseinanderlaufen der Wirtschaftszyklen könnte die Gemeinschaftswährung neuerlich auf die Probe stellen, warnt die OECD. Zur Abfederung der Corona-Krise wurden in der EU die Schuldenregeln bis Ende 2022 ausgesetzt. Eigentlich darf die Neuverschuldung drei Prozent der Wirtschaftskraft eines Landes nicht überschreiten. Bei der Gesamtverschuldung liegt das Limit bei 60 Prozent. Die Unterschiede innerhalb der EU sind groß, zumal die Vorgaben auch schon vor der Pandemie von manchen Mitgliedern nicht eingehalten wurden.

Debatte über Schuldenregeln

Das beschäftigt auch die Finanzminister der Union bei ihrem Treffen, die unter anderem eine Überarbeitung der ausgesetzten Schuldenregeln anstreben. Einen Vorschlag brachte der Brüsseler Thinktank Bruegel aufs Tapet: nämlich die Investitionen in die grüne Transformation künftig von den Defizitregeln auszunehmen.

Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sagte dazu, dass große Anstrengungen nötig seien, um diesbezüglich einen Konsens in der EU zu erzielen. Der Italiener betonte, eine restriktivere Finanzpolitik sei nicht angebracht. "Das wäre ziemlich gefährlich." Fehler nach früheren Krisen müssten diesmal vermieden werden, sagte er mit Blick auf die Sparpolitik nach der Schuldenkrise. Investitionen dürften nicht wieder zusammengestrichen werden.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde stellte anhaltende Hilfen der Notenbank zur Überwindung der Corona-Krise in Aussicht. "Die Situation ist besser, als wir vor ein paar Quartalen befürchtet haben", erklärte Lagarde und fügte hinzu: "Aber wir sind noch nicht über den Berg."

S&P bestätigt Note AA+ für Österreich

Indes belässt die Ratingagentur Standard&Poor's (S&P) ihre Bewertung für Österreich bei der zweitbesten Note AA+ . Der Ausblick sei stabil und S&P rechne im zweiten Halbjahr mit einer weiteren wirtschaftlichen Erholung. (Regina Bruckner, Alexander Hahn, 10.9.2021)