Amerikanische Liberale argumentieren zu 20 Jahre 9/11, dass ausländische (muslimische) Terroristen nie die wirkliche Bedrohung für die US-Demokratie waren. Sondern eher der gewaltige Ruck nach rechts so vieler Amerikaner und die Tatsache, dass die Republikanische Partei eindeutig ins Autoritäre abgeglitten ist.

Ähnlich kann man auch in Europa argumentieren. Die muslimische Zuwanderung ist für viele das Hauptproblem, aber die Tendenz zum Autoritären, die sich zum Teil daraus ergeben hat, ist längerfristig wohl das wirklich beunruhigende Phänomen. Polen, Ungarn und Slowenien sind zwar EU-Mitglieder, aber schon fast keine echten Demokratien mehr. Extrem rechte Parteien in fast allen westeuropäischen Ländern halten beachtliche Anhängerschaften. Manche konservativen Volksparteien sind, wie die Türkisen in Österreich und die Tories in Britannien, von den Rechtslastigen kaum mehr zu unterscheiden.

Das heißt nicht, den Terrorismus und die Herausforderung durch islamistische Strömungen unter den europäischen Muslimen zu unterschätzen. Dessen wird man allerdings nicht durch Showpolitik Herr werden, wie etwa Moscheenschließungen, die dann nicht halten, und Großrazzien unter "Muslimbrüdern", die fast ein Jahr später zu nichts geführt haben. Zum "European Way of Life", den Sebastian Kurz gegen die "illegale Migration" verteidigen will, gehören Rechtsstaat und liberale Demokratie. (Hans Rauscher, 10.9.2021)