Angela Merkel, so glaubten viele Männer in der Union bei ihrem Amtsantritt im deutschen Kanzleramt, würde 2005 nur eine Übergangslösung sein. Eine Frau, Protestantin, aus dem Osten – sie werde sich nicht lange halten und bald an einen Mann aus der Union übergeben müssen.

Doch Merkel blieb 16 Jahre lang. Eine Reihe an Männern hingegen, die sich mal für so stark hielten, sind an und neben ihr gescheitert: Helmut Kohl, Roland Koch, Jürgen Rüttgers, Christian Wulff, Edmund Stoiber, Friedrich Merz.

Großes Bedauern hat man von der Machtpolitikerin nie gehört. Ein Mann weniger war ein Rivale weniger.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union.
Foto: imago images/Bernd Elmenthaler

Nun sieht es so aus, als gäbe es bald ein neues und letztes Opfer der Kanzlerin: Armin Laschet, den Kanzlerkandidaten der Union, der doch eigentlich ihr Nachfolger werden soll.

Schon als Merkel den CDU-Vorsitz abgab, erlegte sie sich Zurückhaltung bei der Nachfolgesuche auf. Natürlich wusste jeder, dass sie zuerst Annegret Kramp-Karrenbauer und nach deren Scheitern Armin Laschet präferierte.

Doch Merkel hielt sich zurück. Sie war damals angeschlagen und auch in den eigenen Reihen wegen ihrer Asylpolitik unpopulär. Eine Wahlempfehlung von ihr hätte durchaus schaden können. Außerdem gefiel sie sich mehr und mehr in einer eher präsidialen Rolle.

Heiße Wahlkampfphase

Aber dann kam Corona; und Merkel wurde noch einmal schwer gefordert, was ihre Beliebtheitswerte wieder steigen ließ. Statt als "Lame Duck" im Kanzleramt zu sitzen, regierte sie weiter. Bloß eines wollte sie nicht machen: Wahlkampf für Armin Laschet. Natürlich ahnt man, wo Merkel am 26. September auf dem Stimmzettel ihr Kreuz machen wird. Sie will keinesfalls, dass Olaf Scholz Kanzler wird und dann mit einer Ampel oder einem linken Bündnis regiert.

Umso unverständlicher ist, dass Merkel Laschet so strampeln lässt. Sie ist immer noch das prominenteste CDU-Mitglied in Deutschland und darf auch als Kanzlerin eine Meinung haben. Doch sie konnte sich zunächst nur zu einem Auftritt beim Auftakt in die heiße Wahlkampfphase aufraffen.

Danach warnte sie einmal im Kanzleramt und einmal im Bundestag – dort sehr heftig – vor einer linken Regierung. Das aber passierte erst, als die Union schon schwächelte wie ein dehydrierter Marathonläufer bei Gegenwind.

Natürlich erwartet niemand, dass Merkel für Laschet auf die Marktplätze geht und dort für ihn trommelt. Doch ein bisschen mehr Bekenntnis zu ihm hätte es durchaus sein dürfen. Schließlich geht es auch um ihre Hinterlassenschaft. Merkel aber tut so, als ginge sie das alles nichts mehr an.

Vielleicht lässt sie sich ja von jenen Sätzen leiten, die sie selbst 1999 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schrieb: "Die Partei muss laufen lernen." Gemeint war damals, dass die CDU sich von Übervater Helmut Kohl emanzipieren und ohne ihn auskommen müsse. Aber Laschet läuft schlecht und stolpert viel. Angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, ist Merkels Zurückhaltung nicht nachvollziehbar. (Birgit Baumann, 11.9.2021)