Caspar Einem war selbst damit an die Öffentlichkeit gegangen: Er hatte an das linksradikale "Tatblatt" gespendet, erklärte der Innenminister im April 1995 in einem Zeitungsinterview. In der Szene kursierte zu diesem Zeitpunkt eine Kopie des Erlagscheins, mit dem Einem das "Tatblatt", Sprachrohr auch der Hausbesetzerszene, unterstützt hatte. Das Gerücht drang auch zu Einem, der konnte sich nur noch vage daran erinnern. Zu Hause sucht er den Einzahlungsbeleg. Und fand ihn. "Mich hat fast der Schlag getroffen", erzählte er später im Gespräch mit dem STANDARD. Am nächsten Morgen rief Einem Kanzler Franz Vranitzky an und bot ihm den Rücktritt an.

Anlässlich der Verschärfung der Asylgesetze protestierte Caspar Einem 2003 mit einem T-Shirt, das Bruno Kreisky zeigt, auch gegen den Kurs seiner eigenen Partei. Am Donnerstag verstarb Einem 73-jährig.
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Vranitzky lehnte ab und sagte: "Das stehen wir durch." Einem befasste sich erstmals näher mit dem "Tatblatt". "Da wusste ich, das wird mühsam."

"Weg mit ihm"

FPÖ und "Kronen Zeitung" gingen in die Offensive. Einem als "Sponsor der Anarcho-Szene", titelte die "Krone". "Was bei Einem hängenbleibt, ist die Tatsache, dass er Linksextreme, die sich im Dunstkreis der Bombenattentäter von Ebergassing bewegen, Geld zukommen ließ. Wir haben also einen Innenminister, der jene, die er bekämpfen soll, unterstützt hat. Wer meint, dass ein solcher Innenminister nicht sofort zurücktreten muss, der macht sich zum Befürworter linksextremer Gewalt", schrieb Hans Dichand unter seinem Pseudonym "Cato". Die "Krone" wurde deutlich: "Weg mit ihm."

Was damals niemand wusste und Einem erst später in einem Gespräch mit dem STANDARD enthüllte, war der Umstand, dass er den Bombenleger von Ebergassing, der bei diesem Anschlag auf einen Strommast 1995 ums Leben kam, persönlich gekannt hatte. Es war ausgerechnet jene Person, die ihn um die Spende gebeten hatte.

Diese Spende brachte Einem schwer in die Bredouille. Als bekennender Linker und ehemaliger Sozialarbeiter hatte er bei den eigenen Leuten ohnedies einen schlechten Stand. Als Nachfolger von Franz Löschnak war er für viele in der Partei und erst recht in der Polizei ein Kulturschock. Teile des Apparates lehnten ihn schlichtweg ab.

Einems größte Herausforderung als Innenminister waren die Ermittlungen zu den Briefbombenattentaten, die zwischen 1993 und 1997 Österreich erschütterten. Wiens Bürgermeister Helmut Zilk hatte bei der Explosion einer Briefbombe Teile seiner linken Hand verloren. Im Februar 1995 erreichte der Terror seinen Höhepunkt, als vier Roma in Oberwart bei einem Anschlag mit einer Sprengfalle getötet wurden. Auch Einems Stiefmutter Lotte Ingrisch wurde eine Briefbombe zugesandt, die bei der Untersuchung durch die Beamten detonierte.

Ermittelt wurde im rechtsextremen Milieu, man suchte nach einer Tätergruppe, die sich "Bajuwarische Befreiungsarmee" nannte. In Einems Amtszeit konnte die Attentatsserie nicht aufgeklärt werden. "Das hätte mir wohl geholfen, länger im Amt zu bleiben", sagte er später. Entscheidend für seine Abberufung sei aber gewesen, dass er kein gutes Verhältnis zur "Krone" hatte. "Und Viktor Klima hat dieses gute Verhältnis gesucht." Als Klima 1997 Kanzler wurde, machte er Karl Schlögl zum Innenminister. Franz Fuchs, der Attentäter, wurde im Oktober 1997 zufällig bei einer Verkehrskontrolle gefasst.

Linker Hoffnungskandidat

Einem wechselte ins Wissenschafts- und Verkehrsministerium, blieb dort drei Jahre, bis 2000 Schwarz-Blau an die Macht kam. Als Klima im Jahr 2000 als SPÖ-Chef zurücktrat, galt Einem als Hoffnungskandidat der Parteilinken. Aus dem Flügelkampf mit Karl Schlögl ging als Kompromisskandidat Alfred Gusenbauer als Sieger hervor. Einem blieb Abgeordneter.

2007 verließ er die Politik, der Zeitpunkt war nicht zufällig: Die SPÖ versuchte den Raum nach rechts dichtzumachen und verstrickte sich in einer Auseinandersetzung um Abschiebungen und Bleiberecht. Die Kritik an seiner Partei hat Einem intern immer wieder vehement geäußert, aber kaum nach außen getragen.

Noch vor wenigen Tagen war er beim Forum Alpbach aufgetreten. Sein Ableben kam völlig überraschend. Er wurde 73 Jahre alt.

Einem war Sohn des Komponisten Gottfried von Einem und der Adeligen Lianne von Bismarck. Er war verwitwet und Vater eines Sohns. Politiker unterschiedlicher Couleur würdigten vor allem seinen Intellekt und seine Haltung. (Michael Völker, 11.9.2021)