Im sehr schönen Wiener Bezirk Donaustadt soll es vor vier Jahren in einer Großraumdisco zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen sein. Für eine 31-Jährige endete sie mit einem verschobenen Nasenbeinbruch.

Foto: Die Grünen

Wien – Bereits als Kind begann die musikalische Karriere der 31-jährigen Frau M., die sie an die Spitze diverser volkstümlichen Hitparaden und in einschlägige TV-Shows brachte. Und das, obwohl sie nach eigener Aussage seit vier Jahren nicht mehr durch die Nase atmen kann – sie wurde ihr am 26. Februar 2017 gegen 1.40 Uhr bei einem privaten Besuch in einem Lokal in Wien-Donaustadt gebrochen. Vier Jahre später sitzt deshalb nun Angelina K. vor Richter Thomas Kreuter.

Die 27 Jahre alte Angeklagte ist extra aus ihrer Heimat Deutschland angereist und bekennt sich nicht schuldig. Sie sei zwar mit ihrem damaligen Freund und einem befreundeten Pärchen in der transdanubischen Großraumdisco Bollwerk gewesen, bestätigt die Unbescholtene. Als man gerade vom "Hip-Hop-Floor" in eine andere "Area" wechselte, habe die ihnen unbekannte Frau M. ohne ersichtlichen Grund den Freund der Angeklagten angeschrien und habe gegen seine Brust geschlagen. "Ich habe sie dann mit einer Hand weggestoßen", erklärt K. dem Richter. M. sei daraufhin gegangen, sie und die anderen drei Mitglieder ihrer Gruppe hätten bald darauf die Disco verlassen.

Streit zwischen zwei Männern

Frau M. erzählt eine völlig andere Geschichte. Sie sei an der Bar gestanden und habe Getränke geholt, als sie von einem Mann angerempelt worden sei. Der habe mit einem anderen Mann gestritten. Eine von M.s Freundinnen habe die Männer beruhigen wollen, sei aber weggestoßen worden. Sie selbst habe dann dem Schubser die Hand auf die Schulter gelegt und gesagt, er solle das lassen. "Ich habe den Satz kaum ausgesprochen gehabt, als ich von Frau K. die Faust ins Gesicht bekam", erinnert M. sich. "Es war ein guter Treffer", sie stürzte zu Boden, dort bekam sie Tritte, und ihre Haarverlängerungen wurden ihr ausgerissen.

"Wie groß war die Frau, die Sie geschlagen hat?", will der Richter von M. wissen. "Sie war mit mir auf Augenhöhe", sagt die etwa 1,70 Meter große Zeugin. "Und welche Haarfarbe hatte sie?" – "Dunkelbraune bis schwarze Locken", lautet die Antwort. Kreuters Fragen haben einen Hintergrund: Vier Tage nach dem Vorfall konnte M. bei der Polizei die Angreiferin nämlich nicht beschreiben. Und in einem Aktenvermerk des in die Disco gerufenen Polizisten steht, M. habe gesagt, ihre Kontrahentin sei blond und etwa 1,60 Meter groß. "Ich habe das nie gesagt!", empört M. sich und bricht in Tränen aus.

Die kleine Blondine und die große Schwarzhaarige

Interessanterweise wiederholt aber einer von M.s damaligen Begleitern auch vor Gericht, dass er aus zehn Metern Entfernung gesehen habe, dass eine kleine blonde Frau M. geschlagen hatte. Eine nicht erschienene Zeugin erinnerte sich in ihrer Aussage bei der Polizei daran, dass eine Blondine auf die am Boden liegende M. getreten habe. Angeklagte K. ist 1,75 Meter groß und hat langes schwarzes Haar.

Die aufgebrachte M. bleibt dabei: K. habe ihr den Faustschlag verpasst. "Aber warum konnten Sie damals der Polizei keine Beschreibung geben und jetzt schon?", bleibt der Richter hartnäckig. "Ich war a) noch nie in meinem Leben in eine Schlägerei verwickelt und b) noch nie bei der Polizei. Ich war aufgeregt, nervöser als jetzt", begründet die Zeugin. Sie habe einen verschobenen Nasenbeinbruch erlitten und Konzerte absagen müssen. Es wäre ihr aber peinlich gewesen, wenn der Grund der Absagen an die Öffentlichkeit gekommen wäre, behauptet sie.

Privater Zeugenaufruf via Internet

Allerdings ging sie 2018, nachdem die Polizei die Ermittlungen eingestellt hatte, selbst via Internet an ebendiese Öffentlichkeit. Unter dem Betreff "Mir wurde die Nase gebrochen" veröffentlichte sie ein Bild, das K. und ihren Ex-Freund zeigte, und fragte nach dem Namen der Frau. Wie sie an die Aufnahme gekommen ist, bleibt unklar, M. sagt, sie habe sie im Internet gefunden. Der Ex-Freund meldete sich bei M. und verriet ihr K.s Namen. Da die Deutsche aber in Österreich nicht gemeldet war, musste sie in Deutschland mittels Rechtshilfeersuchen ausgeforscht werden – das dauerte drei Jahre.

Der Ex-Freund kommt als Nächster an die Reihe und bietet wieder eine andere Version. "Wir waren auf einem Doppeldate, das andere Paar wollte aufs WC gehen. Wir sind hinten nachgegangen, vorne gab es einen Tumult. Als wir dort hinkamen, hat mich eine blonde Frau plötzlich angeschrien und auf die Brust geschlagen." Das sei schmerzhaft gewesen, da er eine Transidentität habe und damals noch weibliche Geschlechtsmerkmale hatte. "Ich war völlig perplex und wusste nicht, was los ist. Dann hat K. der Frau über meine Schulter einen Stoß oder Schlag versetzt, um mich zu schützen. Dann ist die Dame gegangen." Eine Verletzung M.s sei ihm dabei nicht aufgefallen.

Vorwurf an Verletzte

Eine Bekannte, die ihn erkannte, habe ihm 2018 einen Screenshot von M.s Zeugenaufruf geschickt. Er wollte nicht, dass das bekannt wird, und kontaktierte M., damit die das Foto lösche, dabei gab er ihr seine und auch K.s Daten. Er legt auch einen Chatverkehr vor. In einem Beitrag schreibt er an M.: "Hättest mich damals nicht geschlagen, hätte sie dir keine gegeben." Eine Reaktion bekam er darauf offenbar nicht.

Ein interessantes Detail, von dem auch die Angeklagte schon erzählt hat, bestätigt dieser Zeuge: Die weibliche Hälfte des befreundeten Paares sei etwa 1,60 Meter groß – und hatte damals blonde Haare. Mittlerweile sind sie schwarz, Erinnerungen an den Abend vor vier Jahren hat die Frau absolut keine, wie sie sagt.

Um die damaligen Begleiter von M. einzuvernehmen, vertagt der Richter schließlich auf unbestimmte Zeit. (Michael Möseneder, 14.9.2021)