Jetzt geht es nicht mehr nur um höhere Strafen, darum, wie lange bestimmte Tests gelten, wo welche Masken zu tragen sind und wie man überhaupt Konzerte oder andere Events besuchen kann. Jetzt geht es tatsächlich ans sprichwörtliche Eingemachte, um die Existenz. Ein sichtlich verärgerter US-Präsident Joe Biden kündigte am Donnerstag eine Corona-Impfpflicht für Angestellte der Regierung und für jene Firmen an, die für die Regierung arbeiten. Gleiches gilt für bestimmte Einrichtungen des Gesundheitswesens. Testen wird dann keine Option mehr sein. Hält man sich nicht daran, ist der Job weg.

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Bereits seit längerem stockt in den USA der Impffortschritt.
Foto: REUTERS/Rachel Wisniewski

Bereits seit längerem stockt in den USA der Impffortschritt, während die Zahl der Neuinfektionen und Todesfälle in die Höhe schießt. An niederschwelligen Möglichkeiten hat es nie gemangelt, die Stiche kann man sich im Supermarkt oder an der Tankstelle holen. Und auch die in den USA ausgeprägte Liebe zum Vaterland hat Biden für die Impfkampagne eingesetzt, indem er den Stich gegen Corona am 4. Juli, dem US-Unabhängigkeitstag, als "patriotischsten" Akt bezeichnete.

Doch es hat nicht gereicht, so wie in vielen anderen Ländern auch, etwa in Österreich. Der Impffortschritt hat den Sommer über nicht die gewünschte Entwicklung genommen, um der Pandemie Herr zu werden. Nun, an der Schwelle zur nächsten Welle – wenn wir nicht schon mittendrin sind –, stellt sich die Frage aller Fragen: Was tun mit den Ungeimpften? Denn in diesem riesigen Zahlensalat, das die zahlreichen Corona-Studien verursachen, finden sich einige Belege für Folgendes: Die Impfung wirkt – vor allem schützt sie davor, auf der Intensivstation zu landen.

Fake-News

Ist tatsächlich eine Impfpflicht die Lösung, wie sie weltweit in unterschiedlichsten Variationen zumindest diskutiert und nun zum Teil in den USA angeordnet wird? Nicht wenige Experten warnen davor, könnte sie doch auf jene, die sich bezüglich einer Impfung nur unsicher sind, abschreckend wirken. Vielmehr solle man weiter auf Aufklärung setzen. Das mag plausibel klingen, doch nach rund einunddreiviertel Jahren der Pandemie und monatelangen Impfkampagnen ist die Geduld zu Ende – und wohl nicht nur bei Joe Biden. Mal sehen, wer nachziehen wird, wenn die nächste Corona-Welle so richtig in Schwung kommt.

Angesichts der Proteste gegen Corona-Maßnahmen und -Impfungen, wie es sie in den USA und in anderen Ländern zahlreich gibt, angesichts der Vehemenz, mit der Gruppierungen und Parteien versuchen, sich Impfgegnern und -skeptikern anzubiedern, angesichts der Unmengen an Fake-News, die in sozialen Medien gierig aufgesogen werden, ist Bidens Schritt nur verständlich. Denn was wäre die Alternative? Von einer Welle zur nächsten reiten, von einem Lockdown in den nächsten schlittern, während man fast schon flehentlich darum bittet, jeder und jede möge sich bitte schön impfen lassen?

Diese Aussichten sind mehr als deprimierend und düster. Alternativ kann man einen Blick auf Dänemark werfen. Dort wurden am Freitag nahezu alle Corona-Einschränkungen aufgehoben – dank einer hohen Impfquote. Ob diese Strategie Erfolg hat, wird man in ein paar Wochen oder Monaten sehen. Und dann weiß man auch, ob Bidens Verschärfungen wirken. Und dann kann man entscheiden, ob man das nachahmt. In Österreich zum Beispiel. (Kim Son Hoang, 11.9.2021)